Von Hans-Georg Willmann
Schnelle Veränderungen, wachsende Anforderungen und steigender Leistungsdruck sind Teil unseres Arbeitslebens. Gerade deshalb ist es eine besondere Herausforderung, im Beruf langfristig souverän und leistungsfähig zu bleiben. In diesem Beitrag verrate ich Ihnen, wie Sie Ihre Arbeitsmarktfitness erhalten und dadurch erfolgreich im Job bleiben.
Die Logik der Digitalisierung verstehen – Veränderungen erkennen
Die gute Nachricht zuerst: Die Hysterie in den Medien, dass uns Roboter mit künstlicher Intelligenz bald ganz ersetzen werden, ist übertrieben. Wenn wir die Arbeitswelt mit kühlem Kopf betrachten, erkennen wir, dass nicht ganze Berufe, sondern nur einzelne Tätigkeitsanteile bestimmter Berufe digitalisiert werden können. Computer und Roboter ersetzen nicht einfach Menschen – sie übernehmen einzelne Arbeitsschritte von Menschen.
Die Logik der digitalen Veränderung lautet schlicht:
Programmierbare Algorithmen ersetzen menschliche Routinetätigkeiten.
Unter Routinetätigkeiten versteht man manuelle oder kognitive Arbeitsschritte, die sich in immer gleicher Weise, also unverändert, ständig wiederholen. Zum Beispiel: Rechnungen schreiben, Ausgabebelege zusammenrechnen, Metallstücke in gleich große Stücke schneiden oder Flaschen abfüllen. Je höher der Anteil dieser Routinetätigkeiten in einem Job, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Tätigkeiten von einem Computer oder einer computergesteuerten Maschine übernommen werden können. Den Anteil der Routinetätigkeiten in den rund 3.900 Einzelberufen, die es aktuell in Deutschland gibt, kann man berechnen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat das gemacht.
In die Kategorie Routinetätigkeiten fallen schon seit vielen Jahren alle fertigungstechnischen Tätigkeiten in der Produktion, für die Industrieroboter eingesetzt werden. Davon betroffen sind zahlreiche Arbeitsplätze in den Fabrikhallen. In die Kategorie Routinetätigkeiten fallen aber auch immer mehr Tätigkeiten rund um die administrativen, organisatorischen und kaufmännischen Büro- und Sekretariatsarbeiten. Datenbanken, CRM-Systeme, ERP-Anwendungen, Analytics-Tools, Messenger-Funktionen etc. übernehmen gleichbleibende und ständig wiederkehrende Arbeitsabläufe in den Büros, die dann nicht mehr von den Menschen am Schreibtisch ausgeführt werden müssen. Auch in anderen Arbeitsbereichen können mittlerweile zahlreiche menschliche Routinetätigkeiten durch Computer und computergesteuerte Roboter ersetzt werden. So übernimmt zum Beispiel der Medizinroboter die Augen-OP, Laborroboter führen medizinische, physikalische, chemische und biologische Diagnostik und Analysen durch und Programmieralgorithmen übernehmen bereits einfache Programmiertätigkeiten. Die digitalen Veränderungen kündigen sich an. Arbeitgeber investieren nur in technisch umsetzbare digitale Technologien, in Roboter und Software, wenn das betriebswirtschaftlich rentabel und rechtlich zulässig ist. Die Digitalisierung kommt also nicht von heute auf morgen.
Nicht-Routinetätigkeiten in analytischen, interaktiven oder manuellen Arbeitsfeldern können Computer indes nicht erledigen, sie können dort den Menschen höchstens unterstützen. Denn Roboter und Computerprogramme können weder wahrnehmen noch feinmotorisch, kreativ- oder sozial-intelligent handeln – zumindest heute noch nicht. Die Roboter werden durch künstliche Intelligenz zwar immer selbstständiger lernen und fähig werden, erfahrungsbasierte Entscheidungen zu treffen, aber das bedeutet nicht, dass menschliche Arbeit durch intelligente Maschinen ersetzt wird. Tätigkeiten im Management, in der Beratung, im Pflege- und Gesundheitsbereich genauso wie in Kunst und Kultur werden weiterhin von Menschen ausgeführt werden – weil es sich dabei um Nicht-Routinetätigkeiten handelt. Zudem entstehen durch die Digitalisierung neue Berufsbilder und dadurch neue Jobs.
Tipp: Notieren Sie, welche Routinetätigkeiten und Nicht-Routinetätigkeiten Sie im Job ausführen. Fragen Sie sich schon heute, wie Ihr Arbeitsplatz und wie Ihre Aufgaben in fünf bis zehn Jahren aussehen werden. Halten Sie die Augen und Ohren offen, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen.
Die Schlüsselfähigkeiten der Zukunft kennen und trainieren
Zwei Dinge sind klar: Roboter und Computer werden uns Menschen nicht einfach ersetzen. Doch sie werden auch nicht einfach wieder verschwinden. Deshalb müssen wir lernen, damit umzugehen. Zwölf Schlüsselfähigkeiten helfen uns dabei. Wir alle verfügen über diese Fähigkeiten und anders als unser Fachwissen veralten sie nicht. Außerdem können wir sie trainieren. Dazu müssen wir die Schlüsselfähigkeiten kennen und einschätzen, wie fit wir heute schon (oder noch) darin sind. Viele Studien zur Frage, welche Fähigkeiten wir in der Arbeitswelt der Zukunft brauchen – zum Beispiel der Report zur Zukunft der Arbeit des Weltwirtschaftsforums (WEF) – belegen: Die folgenden zwölf Schlüsselfähigkeiten helfen uns, in Veränderungssituationen, mit uns selbst, mit anderen und mit neuen Technologien erfolgreich umzugehen:
1. Selbstverantwortung
Die Fähigkeit, sich, auch ohne Druck von außen, eigene berufliche Ziele zu setzen, die Umsetzung zu planen und zu verfolgen und die Konsequenzen seiner Handlungen und seines Unterlassens zu tragen.
2. Offenheit
Die Fähigkeit, sich auf fremde Personen und Situationen einzulassen, Bestehendes infrage zu stellen, neue Ideen und Veränderungen als Chance zu sehen und sich an neue Vorgehensweisen heranzuwagen.
3. Eigeninitiative
Die Fähigkeit, Veränderungen im (Arbeits-)Umfeld als Anstoß zu nehmen, um über die eigene Situation nachzudenken, Chancen zu erkennen und aktiv zu handeln.
4. Reflexionsfähigkeit
Die Fähigkeit, über sich, seine berufliche Situation und seine Fähigkeiten, sein Verhalten und dessen Auswirkungen nachzudenken, um zukünftig angemessen handeln zu können.
5. Selbstmanagement
Die Fähigkeit, gesteckte Ziele motiviert und engagiert, planvoll und organisiert zu verfolgen, dabei auch mit auftretenden Widerständen und Problemen konstruktiv umzugehen, daraus zu lernen, dranzubleiben und durchzuhalten, bis ein Ziel erreicht ist.
6. Belastbarkeit
Die Fähigkeit, Belastungssituationen zu erkennen, seine Energie darauf einzustellen, die eigenen Ressourcen ökonomisch einzusetzen und mit Stress konstruktiv umzugehen, um die Balance zu halten.
7. Einfühlungsvermögen
Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen (verlinken mit https://www.gabal-magazin.de/soziale-empathie/), ihnen zuzuhören, sie zu verstehen und angemessen sowie emotional intelligent zu handeln.
8. Teamfähigkeit
Die Fähigkeit, sich mit anderen abzustimmen und gemeinsam kooperativ auf ein Ziel oder eine Lösung hinzuarbeiten, sowie seinen eigenen Standpunkt zu vertreten, ohne die Beiträge anderer abzuwerten.
9. Kommunikationsfähigkeit
Die Fähigkeit, die eigene Meinung und das, was man will, auszudrücken und zur Geltung zu bringen, Sachverhalte verständlich darzustellen, zu argumentieren sowie Gespräche verbindlich und zielgerichtet, ergebnisorientiert und situationsgerecht zu führen – und das sowohl im direkten Kontakt als auch mittels digitaler Medien wie zum Beispiel E-Mail, Videotelefonie, Telefon, Messenger-Dienste etc.
10. Konfliktfähigkeit
Die Fähigkeit, schwierige Situationen zu erkennen, einzuschätzen, anzusprechen und fair und lösungsorientiert damit umzugehen.
11. Problemlösungsfähigkeit
Die Fähigkeit, einen Ist-Zustand gegen Widerstände in einen Soll-Zustand zu überführen – und zwar durch logisches Denken, Urteils- und Entscheidungskraft und intelligentes, oft auch kreatives Handeln.
12. Lernfähigkeit
Die Fähigkeit, Lern- und Arbeitsmethoden anzuwenden, um sich selbstständig neue Lern- und Wissensinhalte zu erschließen, logisch einzuordnen, zu verarbeiten und anwenden zu können.
Das Zusammenspiel der zwölf Schlüsselfähigkeiten macht uns fit für den Umgang mit den digitalen Veränderungen in der Arbeitswelt. Fit für das Homeoffice und die Vertrauensarbeitszeit, in der wir uns selbst managen und Balance halten müssen. Fit fürs Shared Office mit Kolleginnen, Kollegen und Chefs der Generationen X, Y und Z, für die wir eine große Portion Offenheit, Einfühlungsvermögen, Team-, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit brauchen. Fit für computerunterstützte Arbeitsprozesse und Probleme, für die wir Neues lernen müssen.
Tipp: Nehmen Sie sich regelmäßig einige Minuten Zeit, um über Ihre Arbeit, Ihr Verhalten in unterschiedlichen Situationen und im Umgang mit unterschiedlichen Personen nachzudenken. Fragen Sie sich, wie offen und proaktiv Sie an neue Herausforderungen und auf Menschen zugehen. Nutzen Sie den Arbeitsalltag als Lernfeld, um Ihre Fähigkeiten zu trainieren.
Fazit
Arbeitsmarktfit sein heißt: mit Veränderungen in der Arbeitswelt erfolgreich und gesund umgehen zu können. Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt radikal. Das kann uns erst einmal verunsichern. Dadurch entstehen aber auch Chancen. Fragen Sie sich schon heute, wie sich Ihr Arbeitsplatz in den nächsten fünf bis zehn Jahren verändern wird. Versuchen Sie offen und neugierig an Herausforderungen heranzugehen und trainieren Sie Ihre 12 Schlüsselfähigkeiten regelmäßig. Wer Digitalisierung als Chance begreift und neue Technologien als willkommene Unterstützung versteht – so wie viele von uns im privaten Alltag das Smartphone täglich ganz selbstverständlich nutzen, um sich das Leben einfacher zu machen – der bleiben lange erfolgreich im Job.
Über den Autor
Hans-Georg Willmann fokussiert sich seit über 20 Jahren darauf, Menschen bei der Verwirklichung ihrer Karriere- und Lebensziele zu unterstützen. Dabei greift der Diplom-Psychologe und zertifizierte Coach (Berufsverband Deutscher Psychologen) auf ein fundiertes Business-Know-how in der Personalarbeit, im Coaching und im Outplacement zurück. 2003 gründete Willmann sein eigenes Unternehmen für Personalberatung & Coaching. Davor arbeitete er im Personalwesen, u.a. für den Deutschen Entwicklungsdienst (heute Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) und im Bereich der Outplacement-Beratung in Projekten für SIEMENS, DEBITEL und andere Großunternehmen. Willmann hat mehr als 30 Bücher geschrieben, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Darunter 30 Minuten Willenskraft, Erfolg durch Willenskraft und 30 Minuten Selbstvertrauen. Seine Mission: Menschen weiterbringen. Der Freiburger lebt seit 2016 in Australien und berät online: weltweit.