Persönliche Entwicklung, Karriere, Finanzen

„Ich möchte mich verändern“

von Christian Greiser

Wer sich als Führungskraft wirklich verändern und entwickeln möchte, muss an der inneren Haltung arbeiten. Warum das wichtig ist und wie das gelingen kann, weiß Christian Greiser

„Ich möchte mich verändern“, sehr häufig begegnet mir dieser Satz in meinen Coachings. Das ist verständlich. Die Welt um uns herum verändert sich in einem bisher nicht gekannten Ausmaß, von technologischen Innovationen über drängende ökologische Fragestellungen bis zu geopolitischen Verschiebungen. Wer da nicht abgehängt werden möchte und erfolgreich bleiben will, muss sich auch verändern. Aber was heißt Veränderung eigentlich? Kann ich mich wirklich verändern? Und wenn ja, wie?

Veränderung von außen

Ich finde den Satz „Ich möchte mich verändern“ immer wieder interessant. Denn hier gibt es offensichtlich zwei: „Ich“ und „mich“, den Veränderer und den zu Verändernden, Subjekt und Objekt. Es liegt im Trend der Zeit, dass wir uns selbst immer mehr zu einem Objekt machen, das es darzustellen und zu perfektionieren gilt. Selfies lassen grüßen. Das gilt auch für die Karriere und die Geschäftswelt. Mit dem Wunsch „mich zu verändern“ oder „an mir zu arbeiten“ ist häufig etwas verbunden, das nach außen für jeden erkennbar ist. Das kann z. B. eine neue Position im Unternehmen sein, vielleicht sind es aber auch neue Fähigkeiten, die wir uns aneignen, von Public Speaking bis zu agilem Führen. Für das berufliche Fortkommen ist das meistens hilfreich, aber die Wirkung bleibt oberflächlich. Wer sich als Führungskraft wirklich verändern und persönlich wachsen will, muss wesentlich tiefer ansetzen, und zwar bei der inneren Haltung.

Die innere Haltung

Unsere innere Haltung bestimmt, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen, wie wir auf sie reagieren und wie wir sie bewerten. Sie wirkt damit wie ein Filter, durch den wir mit der Welt interagieren. Bei Führungskräften kann die innere Haltung in ganz unterschiedlichen Situationen durchscheinen.

Hier drei Beispiele, die mir immer wieder in meinen Coachings begegnen.

Druck aushalten

Führungskräfte müssen Vertrauen und Zuversicht vermitteln, vor allem in einer Krise. Ich habe Führungskräfte kennengelernt, denen das besonders gut gelingt. So leitete z. B. eine Projektleiterin trotz eines schlecht laufenden Projektes den hohen Druck von Kundenseite nicht an ihr Team weiter, sondern lobte und motivierte das Team stattdessen. Aus ihrer Sicht konnte sie nur so die nötigen Energiereserven mobilisieren, um das Projekt wieder zurück auf die Spur zu bringen. Dieses „Aushalten“ des Drucks, ohne ihn weiterzugeben, ist ein wunderbares Beispiel für die innere Haltung einer starken Führungspersönlichkeit. Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall. Wer z. B. immer nur das „halb leere Glas“ sieht und bei den ersten Anzeichen einer Krise gleich den Weltuntergang prophezeit, muss entweder seine innere Haltung ändern oder ist für eine Führungsposition dauerhaft ungeeignet.

Frei machen von Lob und Anerkennung

Ich wundere mich immer wieder, wenn ich sehe, wie sich manche Führungskräfte regelrecht abmühen, um Kunden oder Vorgesetzten „zu gefallen“. Gern frage ich dann, wie sie sich fühlen, wenn sie nach einem gelungenen Projekt explizit gelobt werden. „Das fühlt sich gut an“, bekomme ich dann öfters zu hören. Wenn ich dann wiederum frage, wie es sich anfühlen würde, wenn die eigenen Mitarbeiter sie loben würden, dann werden fast alle nachdenklich. „Komisch würde sich das anfühlen“, höre ich dann. Lob ist ein zweischneidiges Schwert, denn Lob erzeugt ein Eltern-Kind-Verhältnis. Der Lobende agiert quasi aus einer Elternrolle, so wie damals, als es von den Eltern Lob für gute Schulnoten gab. Wer also permanent Lob und Anerkennung erwartet, macht sich selbst klein. Aus meiner Sicht ist eine Führungskraft aber erst dann wirklich souverän, wenn sie eine innere Haltung entwickelt hat, die sie von Lob und Anerkennung frei macht.

Wirksamkeit durch Gravitas

Als Unternehmensberater habe ich über 20 Jahre mit unzähligen unterschiedlichen Kundenteams gearbeitet. Dabei sind mir immer wieder Personen begegnet, die eine Art natürlicher Autorität besaßen. Interessanterweise waren einige dieser Personen häufig gar nicht in verantwortungsvoller Führungsposition, trotzdem wirkten sie wie ein Gravitationsschwerpunkt, um den sich das Geschehen drehte. Es war nicht die Quantität und nicht die Qualität ihrer Beiträge, es war vielmehr die Reaktion der anderen Teammitglieder im Raum, die sie ins Zentrum rückte. Wenn sie etwas sagten, dann wurden alle anderen plötzlich ruhig und hörten zu. Diese Personen besitzen etwas, das wir auch als Gravitas bezeichnen, ein Gewicht, eine Würde, eine natürliche Anziehungskraft. Führung durch Gravitas braucht keine formelle Führungsrolle, sie entsteht vielmehr aus einer inneren Haltung als Führungskraft.

Als Vorbild agieren

Führungskräfte mit einer starken inneren Haltung haben aus meiner Erfahrung mindestens drei Dinge gemeinsam:

  • Sie sind gegenwärtig, agieren gelassen im Hier und Jetzt und sehen die Welt so wie sie ist, ohne in ihrem Kopf Geschichten zu erfinden, die die Realität verzerren. Ein misslungener Kundentermin ist dann tatsächlich nur ein Kundentermin, der nicht wie erwartet lief, aber keine Krise und schon gar nicht das Ende der Karriere.
  • Sie freuen sich über aufrichtige Wertschätzung, aber haben sich frei gemacht von der Erwartung nach Lob und Anerkennung. Stattdessen haben sie gelernt, zu sich selbst zu stehen und sich selbst anzuerkennen, mit allen ihren Fehlern.
  • Sie leben all das als Vorbild und Rollenmodel vor, was sie selbst anstreben. Statt aufgeregt umherzulaufen und lautstark die nächste Führungsposition einzufordern, nehmen sie bereits heute die innere Haltung der Führungsrolle an, die sie vielleicht erst morgen besetzen werden. Sie signalisieren damit häufig unbewusst, aber glaubwürdig die Bereitschaft zur Übernahme einer größeren Führungsverantwortung. Die nächste Führungsrolle kommt dann meistens von ganz allein auf sie zu. Das sehe ich bei meinen Kunden immer wieder.

Wahre Veränderung

Wie aber lässt sich die innere Haltung als Führungskraft entwickeln? Die schlechte Nachricht zuerst: Hierfür gibt es leider keine Toolbox und keine Abkürzung. Anstatt sich immer neue Skills anzueignen, geht es vielmehr darum zu lernen, in sich zu ruhen, sich der eigenen verzerrten Wahrnehmung, der inneren Dialoge und falschen Erwartungen bewusst zu werden und so die innere Trennung zwischen Veränderer und dem zu Verändernden wieder aufzuheben. Das braucht Zeit – und vielleicht auch eine Begleitung durch einen erfahrenen Coach. Wenn diese Form der Veränderung allerdings gelingt, dann wird sich sehr viel verändern, möglicherweise mehr als manche Führungskraft erahnt.

Im Zen gibt es dazu einen schönen Satz:

„Verändere dich selbst und alles um dich herum wird sich verändern“.

Über den Autor

Christian Greiser ist Executive Coach und Unternehmensberater. Er begleitet Vordenker, Gestalter, Entscheider und Unternehmer auf ihrem persönlichen Entwicklungspfad und hilft ihnen, sich ihrer wahren Werte, Talente und Stärken bewusst zu werden. Bevor er sich selbstständig machte, war er Senior Partner bei der Boston Consulting Group (BCG). Sein Buch „Wenn der Erfolg plötzlich Pause macht“ erschien am 4. Oktober 2022 im Gabal Verlag.