Management, Führung

Wie Agilität gelingt

Ein Dreiklang aus „Mensch“, „Orga­ni­sa­tion“ und „Werkzeug“

Einfach immer mehr neue Tools wie Scrum, Design Thinking oder Kanban in den Werkzeugkoffer zu stopfen, reicht nicht. Denn „A fool with a tool is still a fool“ (Grady Booch). Damit Agilität gelingt, braucht es die „Dreiheit“: Mensch, Organisation und Werkzeug. Nur wenn diese drei Dimensionen erfolgreich zusammenspielen, kann die Reise zu mehr Agilität gelingen. Beginnen wir mit der Organisation:

Die Dimension ≫Organisation≪

Die Organisation muss Mitarbeitende und Führungskräfte dabei unterstützen, agil zu werden, indem sie selbst agil wird. Dies tut sie dann, wenn sie Kundenbedürfnisse kompromisslos in den Mittelpunkt stellt, dafür sämtliche Strukturen, Prozesse und Vorgehensweisen auf den Prüfstand stellt und gegebenenfalls neugestaltet, die bisherige Form der Zusammenarbeit umstellt, Wissen teilt und durch mutige Experimente Erfahrungen sammelt. Dabei müssen Organisationen akzeptieren, dass dabei notwendigerweise auch Dinge schiefgehen. Sie können daraus lernen, Verbesserungen identifizieren und sich auf diese Weise schrittweise weiterentwickeln.

Organisationen werden agil, indem sie sich durch kontinuierliches Lernen als Ganzes weiterentwickeln

Agilität wird durch eine Unternehmenskultur stimuliert, die Kontrolle durch Vertrauen ersetzt, hierarchische Barrieren abbaut und selbstständiges Denken und Handeln fördert. Dafür braucht es eine inspirierende Umgebung und Atmosphäre, Arbeitsbedingungen mit hohen Freiheitsgraden und weniger Bürokratie.

Darüber hinaus müssen unter anderem neue Rollen unabhängig von Personen eingeführt und geklärt werden, Entscheidungsprinzipien festgelegt und der Umgang mit Informationen neu geregelt werden.

Agile Organisationen

  • sind dezentralisierte Organismen, die Entscheidungsbefugnisse vom Zentrum in die Peripherie verschieben, nah am Kunden.
  • sind kleine, selbstverantwortliche, voneinander unabhängige und autonome Einheiten, damit nicht der gesamte Organismus in Gefahr gerät, wenn es einer Einheit schlecht geht.
  • haben autonome Einheiten, die bei Bedarf kooperieren können – zum Vorteil der Kunden und zum Voneinander-Lernen.
  • sind schnell auf- und abbaufähig, nach oben oder unten skalierbar.

Der Purpose

Purpose Agilität

Kennen Sie eines der folgenden drei Szenarien?

  1. Eine kleine Gruppe innerhalb des Unternehmens hat in einem Vortrag, einer Fortbildung oder in einem anderen Unternehmen agiles Arbeiten kennengelernt und ist nun heiß darauf, agiler zu arbeiten. Jetzt steht sie vor der Herausforderung: Wie fangen wir an?
  2. Ein Team arbeitet schon länger agil, stößt dabei aber immer wieder an Hürden, die dazu geführt haben, dass schon seit einiger Zeit der Status quo wie festzementiert erscheint und die Agilisierung ins Stocken geraten ist.
  3. Die Unternehmensführung hat eine der Top-Führungskräfte oder den HR-Bereich damit beauftragt, sich »aufzuschlauen« und Vorschläge zu machen, wie man agil werden könnte. Die beauftragte Person steht erst einmal wie »der Ochs vorm Berg« und beginnt ihre Recherche.

In allen drei Fällen wäre es wünschenswert, wenn es ein klares Ziel gäbe, und genau das wird auch oft empfohlen: Machen Sie sich erst einmal ein klares Bild von Ihrem Ziel!

In der Praxis ist aber genau das oft nicht machbar, weil es noch keine klaren Vorstellungen und Erfahrungswerte gibt, die das Vorgehen leiten könnten. Versucht man es dennoch, besteht ein hohes Risiko, dass man aus alter Gewohnheit »antiagil« vorgeht, wasserfallartig plant und konzipiert und erst Monate später erste Ergebnisse präsentiert. Dann wird noch einmal viel Zeit und Energie darauf verwendet, zu analysieren, was alles bedacht werden muss, damit es sicher ein Erfolg wird, und zwei Jahre später wird immer noch nicht wirklich etwas bewegt. Ich habe das schon oft genau so erlebt!

Wie es werden wird, können Sie dank der Komplexität der VUKA-Welt jetzt noch nicht wissen. Deshalb braucht es sowohl beim Umbau der Organisationsstruktur als auch bei den Prozessen kurze Sprints statt langer Planungszyklen. Es heißt, Experimente zu wagen, Erfahrungen zu sammeln, zu bewerten und den nächsten Schritt entsprechend anzupassen – immer mit dem Kunden im Fokus. Wenn dann der erste agile Samen keimt, gilt es, diesen zu hegen und zu pflegen und weitere Samen zu säen.

Sie können also auch ohne klare Zielvorstellung agiler werden. Was Sie aber brauchen, ist ein »Purpose«, der das Wozu erklärt: Warum wollen Sie agil werden? Was wollen Sie damit erreichen? Was ist der Sinn und Zweck? Worauf sollen alle Aktivitäten einzahlen? Der Purpose sollte beschreiben, welches Problem gelöst werden soll und welcher Nutzen dadurch entsteht. Denn agil zu werden, nur um agil zu werden, ergibt keinen Sinn. In der Praxis passiert aber genau das erschreckend häufig: Organisationen kreisen endlos lange um die Frage, wie Agilisierung geht, und vergessen darüber, sich über das Wozu zu verständigen, aus dem sich vieles wie von selbst ergeben würde.

Strategie

Agilität

Nachdem der Purpose geklärt ist, kann das Unternehmen seine agile Reise starten, und es wird Zeit, eine genauere Vorstellung davon zu entwickeln, wie man weiter vorgehen will: Es wird Zeit, eine Strategie zu entwickeln, die beschreibt, wie Agilität im Unternehmen befördert werden soll und welche Wege dazu beschritten werden.

Eine erfolgreiche agile Strategie hat unter anderem Antworten auf folgende Fragen:

  • Wie gestalten wir den Prozess? Welches Kulturtransformations-Design passt zu uns? Auf welche Vorgehensweise wollen wir setzen?
  • Auf welche Dimensionen und Potenziale richten wir unseren Fokus? Was gilt es bei uns konkret zu verändern? Und in welchem Umfang?
  • Welche Logik wählen wir mit welcher Stoßrichtung und welchem Ansatz?

Beginnen Sie einfach mit dem Schritt, der jetzt machbar ist. Denn sonst gehören Sie schon bald zu denjenigen, die gar nicht erst starten oder im bereits erreichten Zustand stecken bleiben. Es gibt zahlreiche Unternehmen, die wären nie gestartet, wenn sie sich zuvor erst einmal über jedes Detail der anstehenden Veränderungen in jeder agilen Dimension verständigt hätten. Lassen Sie es sich entwickeln wie eine wachsende Pflanze.

HR als Verhinderer von Agilität?

In traditionellen Organisationen wird der Personalbereich oft als weit weg von der »echten« Praxis, als rein administrativ und manchmal sogar als Verhinderer von Agilität wahrgenommen. Dabei kann HR wertvolle Beiträge zur agilen Transformation leisten und versteht sich dann auch als Organisationsentwickler und Kulturgestalter. Denn Personal- und Führungskräfteentwicklung ohne Organisationsentwicklung ist nicht ausreichend. Im engen Dialog mit Mitarbeitenden und Führungskräften kann eine agile HR einige ihrer Aufgaben und Teile ihrer Verantwortung in die Teams übertragen und im Gegenzug Mitarbeiter stärker an HR-Prozessen beteiligen:

  • Agile Aufklärung: Vorurteile und Widerstände abbauen durch Informationen, Vernetzung und Austausch mit anderen Unternehmensbereichen und durch Vorbildfunktion, beispielsweise durch Nutzen agiler Methoden wie transparente Darstellung der aktuellen Projekte durch Visualisierung.
  • Agile Instrumente: Die bestehenden Personal- und Führungsinstrumente (Karrierewege, Talentmanagement, Vergütungsmodelle, Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarungen) müssen neu justiert oder durch passendere ersetzt werden. Beispielsweise Team-, Abteilungs- oder Unternehmensziele anstelle von individuellen Zielen. Oder statt klassischer hierarchiebezogener Karrierewege alternativ Fachkarrieren oder Weiterbildung als Entwicklungsmöglichkeit anbieten.
  • Agile Personalauswahl: Begleitung der stärkeren Einbindung von Teams bei der Auswahl künftiger Kolleginnen und Kollegen, eventuell bis hin zur vollständigen Verantwortungsübergabe für den Personalauswahlprozess an Teams.
  • Agile Führungskräfteentwicklung: Mit neuen Formaten Führungskräfte dabei unterstützen, sich vom klassisch-hierarchisch geprägten Rollenverständnis zu lösen und sich stattdessen Kompetenzen zu erarbeiten, die Teams zur Selbstorganisation befähigen.
  • Agile Vermarktung: Agiles HR-Management als attraktivitätssteigernden Faktor für die Rekrutierung von geeigneten Fach- und Führungskräften nutzen.
  • Agiles Coaching: Als agiler Coach Einzelne und Teams begleiten und beraten.

Die beiden anderen Dimensionen „Mensch“ und „Werkzeug“ erläutert Katharina Maehrlein in ihrem Titel Wie Agilität gelingt.

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Katharina Maehrlein

Katharina Maehrlein, Beraterin, Certified Scrum Master und Agile Culture Coach, ist Expertin für die Themen Resilienz, Achtsamkeit und Agilität, zu denen sie mehrere erfolgreiche Bücher geschrieben hat. In den letzten 21 Jahren hat sie als Coach und Beraterin über 30.000 Führungskräfte aus Unternehmen vom Mittelstand bis zum Großkonzern dabei unterstützt, den täglichen Druck zu meistern und dabei ihre Mitarbeiter so zu führen, dass sie motiviert und leistungsfähig bleiben. Mit charmantem Pragmatismus sorgt sie dafür, dass Führungskräfte und Mitarbeiter ihre Leistungskraft mit Leib und Seele einsetzen und auch unter Druck top performen.