Management, Führung

Fatal Error – Fehler 404 nach der Trans­for­ma­tion

Teil 3 der Serie "Change-Müdigkeit vermeiden" von Dr. Ralph Nolte

Serie "Change-Müdigkeit vermeiden"

von Dr. Ralph Nolte

  1. Wieviel „Scheitern“ darf sich eine Transformation noch leisten?
  2. Müde von der X-ten Umstrukturierung?
  3. Fatal Error – Fehler 404 nach der Transformation
  4. Das Change-Projekt ist abgeschlossen. Erfolgreich.
    Also, … alles „Roger“ … oder was?

Erst nach und nach wird klar: es gibt noch reichlich zu tun nach der Transformation des Unternehmens. Doch, ganz gleich wie hochmotiviert auch alle mitgemacht haben, nichts ist so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht. Organisationsentwickler Dr. Ralph Nolte weiß: „Auch nach der erfolgten Transformation bleibt immer noch reichlich zu tun übrig. Den Beteiligten offenbart sich das nur selten auf den ersten Blick, wenn überhaupt.“

Probleme können immer noch auftauchen, auch wenn vorher die Orientierung vermeintlich klar war, die Sinnhaftigkeit eindeutig schien sowie Planung und Umsetzung ebenfalls funktionierten.

Seit 2016, nach den größeren Wellen an organisatorischen Veränderungen in den Konzernen, ist festzustellen, dass es vermehrt zu post-transformalen Folgen kommt, die unerkannt bleiben und nicht mit dem eigentlichen Change in Verbindung gebracht werden. In den meisten Fällen kommt es zu Verweigerungshaltung und Widerständen, die nicht selten in erhöhtem Krankenstand enden.

Mitarbeiter emotional einbinden – tiefe Durchdringung der Organisation nötig

Der infrastrukturelle Change, ausgelöst durch Transformationsmaßnahmen, sollte durchdringen bis zur Abteilungs- und auch Team-Ebene. Häufig kommt er jedoch bei Abteilungsleitern, Teamleitern und deren Mitarbeitern nur unzureichend an. Kognitiv vielleicht schon, emotional nicht, oder nur teilweise.

„Auch wenn man etwas vom Kopf her verstanden hat, fühlt es sich trotzdem nicht automatisch richtig an“, so Ralph Nolte. „Die Gefühlsebene darf nie außer Acht gelassen werden.“

Diese möglichen, aber oft versteckten Diskrepanzen haben direkten Einfluss auf die Performance der Teams und damit auf die Organisation.

Dann kommt es, wie es kommen muss: Widerstände machen sich breit – rational, politisch oder emotional. Auf rationaler Ebene, wenn Mitarbeiter sich nicht ausführlich und verständlich genug informiert fühlen. Auf politischer Ebene, wenn es zu Streitereien innerhalb der Organisation kommt und sich die Führungsriege über Richtung und Tiefe der Maßnahmen nicht einig ist. Und schließlich auch auf emotionaler Ebene, wenn Bedenken und Ängste sich manifestieren.

  • Müssen die MitarbeiterInnen sich um den Arbeitsplatz selbst Sorgen machen?
  • Wie werden künftige Methoden im Rahmen von New Work den Arbeitsplatz beeinflussen?
  • Was bewirken äußere Einflüsse, wie jüngst Corona, hinsichtlich des Tagesgeschehens am Arbeitsplatz?
  • Fühlt der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin sich den Neuerungen gewachsen?

Dies sind nur einige der Fragen, die im Stillen entstehen.

Jeder hat seine eigenen Stärken und Schwächen – auch nach dem Change

Das, was die Journalistin Jessy Wellmer in ihrer Dokumentation „Russland, Putin und wir Ostdeutsche“ in der ARD über die gesellschaftspolitischen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland bei der Bürgern als Ursache feststellte, trifft auf die Menschen in den Organisationen interessanterweise ebenso zu. Jeder Mensch bringt seine ihm eigene Biografie und Konditionierung mit. Man steckt also in einer Art „Verhaltenskorsett“, aus dem man nicht ohne Weiteres aussteigen kann. Warum? Weil dieses Korsett ein vermeintliches Sicherheitsgefühl vermittelt.

Gewohnheiten, Vorlieben und Abneigungen bilden das vertraute Korsett, das man normalerweise gar nicht mehr spürt. Auch wenn es einem nicht immer bewusst ist: Gewohnheiten prägen das eigene Verhalten in der Regel sehr stark und lassen sich nicht einfach so abschütteln. Auch nicht nach 30 Jahren.

Wer tickt wie? Die Macht der Gewohnheit

Ähnlich verhält es sich mit den Verhaltensmustern in den Belegschaften. Ob in der Führungsriege selbst, dem oberen und mittleren Management oder an der Werkbank: Überall begegnen wir heute dem Begriff „MindSet“ - eine erhoffte und erwartete Geisteshaltung. Diese wird allerdings von den Initiatoren in den meisten Fällen idealisiert und setzt betroffene Mitarbeiter unter Druck. Warum? Weil oftmals der Eindruck erweckt wird, dass alle Beteiligten sich gefälligst über den Change-Prozess freuen sollen. Schließlich sind die Veränderungen alle positiv gemeint, also muss das doch auch klappen, wenn sich nur alle genügend anstrengen.

Der Erwartungsdruck ist entsprechend hoch: Die Bereitschaft, sich möglichst schnell und ohne irgendwelche Reibungsverluste anzupassen, wird einfach vorausgesetzt. Im Denken, in der eigenen Struktur, den neu eingesetzten Methoden und auch dem Verhalten den KollegInnen gegenüber.  Genau diese Erwartungshaltung birgt die Gefahr in sich, dass Wunsch und Realität zu weit auseinanderklaffen. Wird das noch durch eine fehlende informelle Durchdringung, also dem tatsächlichen Erreichen der Belegschaft insgesamt (Fehler 404 – nicht erreichbar) verstärkt, umso größer letztendlich die Diskrepanz. Und es steigt die Gefahr, dass sich Change-Müdigkeit einstellt. Change-Müdigkeit ist eine lähmende Reaktion auf hochgradig volatiles Vorgehen im Change. Heute so, morgen so und wieder organisatorisch zurück … sind die Ursachen für Lustlosigkeit, steigende Gleichgültigkeit und Ermüdungserscheinungen.

Agiles MindSet lässt sich nicht anweisen

Statt die benötigte Zeit für die Veränderungen realistisch einzuschätzen, wird zur Eile angetrieben. So beschwerte sich beispielsweise ein Konzernchef etwa ein Jahr nach Beginn der Einführung agiler Methoden öffentlich über seine Führungskräfte der oberen und mittleren Ebene. Er fand, sie würden in ihrem „Silo-Denken“ verharren. Für ihn war das ein klares Symptom dafür, dass offensichtlich etwas Ausschlaggebendes verpasst oder gravierend missverstanden wurde.

In der Öffentlichkeit würde man solche Statements allerdings als mangelhafte Management-Fähigkeit im Wandlungsprozess wahrnehmen. Schließlich hätte er bereits im Vorfeld des Projektes auf das MindSet seiner Mitarbeiter eingehen müssen. Und dort, wo sich Defizite abzeichnen, Gegenmaßnahmen einleiten. Das jedoch hatte er verpasst.

Damit steht er aber auch nicht allein. Denn die meisten Entscheider sind mit dieser Aufgabenstellung überfordert. Oder sie verlassen sich auf Mitarbeiter, die ebenfalls keine Erfahrung in dieser Thematik mitbringen.

Wie man „Change-Müdigkeit“ vermeidet, bzw. auf anfängliche Anzeichen produktiv reagiert, zeigt Ralph Nolte in seinem am 29.08.2023 erscheinenden Buch in der „30-Minuten-Reihe“. Hier geht´s direkt zum Buch.

Bild: alphaspirit / istockphoto

Über den Autor

Ralph Nolte ist Ökonom und Experte für nachhaltige organisatorische Veränderungen und promovierte in Wirtschaftsphilosophie. Er erforscht im Besonderen die Ursachen für Konfliktsituationen in Projektnachlaufzeiten agiler Projekte und Transformation. Seit 2003 ist er freiberuflich tätig als Organisationsberater mit Schwerpunkt Konzeption und Umsetzungsbegleitung, ab 2013 arbeitet er zudem als ausgebildeter Wirtschaftsmediator. Als Referent zum Thema „angewandtes Projektmanagement“ lehrt er an der Universität des Saarlandes.