Management, Führung

Neue Serie: Change-Müdigkeit vermeiden

Teil 1: Wieviel „Schei­tern“ darf sich eine Trans­for­ma­tion noch leisten?

Serie "Change-Müdigkeit vermeiden"

von Dr. Ralph Nolte

  1. Wieviel „Scheitern“ darf sich eine Transformation noch leisten?
  2. Müde von der X-ten Umstrukturierung?
  3. Fatal Error – Fehler 404 nach der Transformation
  4. Das Change-Projekt ist abgeschlossen. Erfolgreich.
    Also, … alles „Roger“ … oder was?

Die meisten Unternehmen befinden sich zurzeit in einer Phase der Veränderung. Entweder durch Digitalisierung getrieben oder im Rahmen organisationaler Entwicklung. Je nach Betriebsgröße und Art der Transformation gilt es, die unterschiedlichsten Hürden zu überwinden. Sei es, dass zu viele Mitarbeiter – aus welchen Gründen auch immer – nicht motiviert genug mitziehen, sei es, dass die gewünschten Ziele unterschätzt wurden. Oft hilft erst der Expertenblick von außen, um Change-Müdigkeit zu vermeiden und den Change-Prozess wieder auf Spur zu bringen. Dr. Ralph Nolte, Organisationsberater mit langjähriger Erfahrung, kennt die unterschiedlichsten Szenarien und findet schnell die adäquaten Maßnahmen. Wichtig ist dabei herauszufinden, was wirklich der Engpass oder das Problem ist.

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Geschäftsführer bat ihn um Hilfe, um einige Ablaufprozesse zu optimieren. Es ging darum, dass sich ein ausländisches Unternehmen an dem deutschen Tochterunternehmen eines Konzerns beteiligt hatte, um so den deutschen Markt zu erobern.

„Das klang zunächst nach einer überschaubaren Aufgabe, die schnell zu bewältigen sein sollte“.

Informationsdefizit – Fehlentscheidungen vorprogrammiert

Wie sich jedoch bald herausstellte, gab es zwei Probleme: Die strengen Auflagen des Datenschutzes erwiesen sich als Hemmnis bei der Einführung neuer Produkte, die in anderen Ländern problemlos umzusetzen waren. Zum anderen fehlte in den Zielgruppen (B2B) die Akzeptanz dieser Beteiligung gegenüber. Diese beiden Knackpunkte führten dazu, dass die Umsatzerwartung nicht erfüllt wurde. Auch eine zuvor durchgeführte ausführliche Due Diligence konnte daran nichts ändern.

Das war jedoch nicht alles. Erschwerend zeigte sich, dass diese einschneidenden Änderungen, auch intern, durch den neuen Mutterkonzern in ihrer Dimension komplett unterschätzt wurden. Das neue Beteiligungsunternehmen kannte die internen Abläufe nur unzureichend. Erhebliche Reibungsverluste an den Schnittstellen waren die Folge. Die firmeninternen Versuche, diese Probleme zu lösen, brachten keinen sichtbaren Erfolg.

Change-Müdigkeit und ihre Folgen für die Organisation

 

„Change-Müdigkeit“ macht sich breit

Die meisten Mitarbeiter verstanden schlichtweg nicht, was jetzt eigentlich passieren sollte. Mal wurde so umorganisiert, mal wieder andersrum. Dieses Hin und Her zermürbte die Belegschaft. Gleichgültigkeit, künftigen Maßnahmen gegenüber, nahm zu. Die Mitarbeiter waren müde und es einfach leid, immer wieder organisatorische Anpassungen vorzunehmen, die einige Zeit später wieder verworfen oder zumindest gravierend verändert wurden. Die Folge: Change-Müdigkeit macht sich breit – ein neues Krankheitsbild entsteht.

Erste Hinweise auf genau diese Folgen liefern, bei genauem Hinsehen, die Resultate aus Gefährdungsanalysen nach §5 ArbSchG ebenso wie sogenannte Puls-Checks. Nur, Beobachtungen zeigen, dass diese Informationen selten in konstruktive Veränderungen fließen. Damit bleibt alles beim Alten.

5 wirkungsvolle Schritte für eine erfolgreiche Vermeidungs-Strategie

Will ein Unternehmen gar nicht erst in eine solche Situation geraten, empfiehlt es sich, u.a. die folgenden 5 Praxis-Schritte zu beherzigen:

  1. Ausführliche Selbstklärung: Was ist das eigentliche Ziel? Je tiefer und gründlicher, vielleicht sogar schonungsloser, um so substanzieller das Ergebnis. Je früher, desto besser!
  2. Transparenz herstellen: Was ist das Motiv, was ist der eigentliche Treiber für diese Maßnahmen und deren Auswirkungen auf die Organisation?
  3. Klarheit und Kenntnisse: Welche fiskalen Anforderungen gibt es, welche eventuellen Unterschiede – im internationalen Kontext - müssen in den jeweiligen Rechtsräumen berücksichtigt werden?
  4. Eine realistische Vorstellung der organisatorischen Belange (Prozesse und Kultur) muss entwickelt werden, wenn unterschiedliche Systeme zusammengeführt werden sollen oder zumindest sensible Berührungspunkte aufweisen.
  5. Kontrolle erlangen über die Ergebnisse, deren Steuerung und Qualität sowie die planmäßige Erreichung der Ziele.

Natürlich setzen diese fünf Handlungsfelder die dafür notwendige Weitsicht voraus. Eines ist jedoch bei allen Change-Prozessen essenziell: Je mehr die Mitarbeiter verstehen, worum es konkret geht und warum sie ihre Ärmel hochkrempeln sollen, umso höher die Akzeptanz und Bereitschaft, mögliche Durststrecken bereitwillig zu durchlaufen. Dann lassen sich Ziele auch auf hohem Niveau und in der adäquaten Qualität erreichen. Und, Change-Müdigkeit vermeiden!

Nächsten Dienstag lesen Sie "Müde von der X-ten Umstrukturierung?", den zweiten Teil der Serie von Dr. Ralph Nolte, Autor von "30 Minuten Change-Müdigkeit vermeiden" (erscheint am 29. August 2023).

Bildnachweis: LightFieldStudios / istockphoto

Über den Autor

Ralph Nolte ist Ökonom und Experte für nachhaltige organisatorische Veränderungen und promovierte in Wirtschaftsphilosophie. Er erforscht im Besonderen die Ursachen für Konfliktsituationen in Projektnachlaufzeiten agiler Projekte und Transformation. Seit 2003 ist er freiberuflich tätig als Organisationsberater mit Schwerpunkt Konzeption und Umsetzungsbegleitung, ab 2013 arbeitet er zudem als ausgebildeter Wirtschaftsmediator. Als Referent zum Thema „angewandtes Projektmanagement“ lehrt er an der Universität des Saarlandes.