Training, Coaching, Beratung

Spiel­re­geln der Perso­naler bei der Bewer­be­r­aus­wahl

Wie Perso­naler ticken

Von Hans-Georg Willmann

Sieben Dinge sind es, die Sie wissen müssen, wenn Sie aktuell einen neuen Job suchen und Ihre Chancen auf einen Arbeitsvertrag steigern wollen. Denn Arbeitgeber und Bewerber denken unterschiedlich und sprechen unterschiedliche Sprachen. In diesem Beitrag verrate ich Ihnen, welche Spielregeln Personaler bei der Bewerberauswahl befolgen und wie Sie am Ende den Job bekommen.

(1) Personalauswahl ist viel Arbeit

Der Arbeitgeber wird möglichst wenig Initiative zeigen, um Sie zu finden. Lediglich, wenn er verzweifelt eine Stelle besetzen muss, für die er keine Mitarbeiter findet, wird er sich die Mühe machen, nach Ihnen zu suchen. Aber im Allgemeinen bevorzugen es Arbeitgeber, dass Bewerber die Initiative ergreifen. Während viele mittelständische Arbeitgeber über einen Mangel an qualifizierten Bewerber klagen, erfahren große und bekannte Firmen, wie zum Beispiel Porsche, Lufthansa oder Siemens häufig einen regen Zulauf.

Tipp 1: Wenn Sie aktuell einen Job suchen, haben Sie bei mittelständischen Arbeitgebern bessere Chancen als bei Großunternehmen, die bei vielen Kandidaten als sexy gelten. Außerdem können Sie die Initiative ergreifen und proaktiv den Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern suchen. Und Sie können dem Personaler viel Arbeit abnehmen, indem Sie sich vorbereiten.

(2) Personalauswahl ist riskant

Arbeitgeber wollen selbst in Zeiten boomender Arbeitsmärkte und Fachkräftemangel mit dem geringsten Risiko einstellen – also ich meine das Risiko, dass eine Anstellung nicht funktioniert. Denn eine schlechte Einstellung kostet den Arbeitgeber viel Geld. Um das Risiko einer Fehlentscheidung zu minimieren, gehen Arbeitgeber nach dem Motto vor: „Sicherheit gibt mir das, was ich kenne.“ Sie schauen sich zunächst interne Bewerber an – oder so nahe an intern wie möglich. D.h. sie entscheiden sich für Leute, die sie kennen oder die jemand kennt, den sie kennen. Also für Leute, die sie bezüglich der Arbeitseinstellung und der Arbeitsleistung einschätzen können.

Tipp 2: Einer der erfolgreichsten Wege zum neuen Job ist der, jemanden zu kennen, der jemanden kennt. Überlegen Sie, wen Sie woher kennen und wie Sie denjenigen ansprechen könnten. Aktivieren und nutzen Sie Ihr persönliches Kontakte-Netzwerk.

(3) Personalauswahl heißt aussortieren

Personalauswahl funktioniert leider nicht nach dem Prinzip „Finde den, den Du einstellst.“, sondern nach dem Prinzip „Finde die, die Du aussortieren kannst.“ Besonders große und bekannte Firmen wie zum Beispiel BMW oder Google erhalten viele Bewerbungen (>100.000 im Jahr). Aus einer großen Zahl an Bewerbungen kann jedoch nur ein kleiner Teil an Bewerbern zum Job-Interview eingeladen werden. Deshalb zielt der erste Blick des Personalers immer darauf, wer aussortiert werden kann, um den Stapel an Bewerbungen auf eine handhabbare Größe zu reduzieren. Am Ende werden nur wenige Bewerber zu einem persönlichen Gespräch eingeladen.

Tipp 3: Die erste Hürde besteht darin, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Sie können diese Hürde überspringen, indem Sie dem Personaler alle für ihn wichtigen Informationen geben – im persönlichen Ersttelefonat und in Ihren Bewerbungsunterlagen.

Spielregeln der Personaler bei der Bewerberauswahl

(4) Präzision bitte

Viele Bewerber wünschen sich, so schnell wie möglich eine neue Arbeitsstelle zu finden – und das mit möglichst wenig Aufwand. Die Strategie dafür lautet: Stellensuche im Internet und bewerben per Mausklick. Online – also schnell und einfach. Eigentlich eine prima Sache – aber eben nur, wenn sich Bewerber die Mühe machen eine aussagekräftige digitale Bewerbungsmappe zu erstellen. Denn Arbeitgeber wollen sich aus Ihren Unterlagen oder im Gespräch mit Ihnen nicht erst mühsam die wichtigen Punkte herauspicken müssen.

Tipp 4: Achten Sie auf die Keywords in der Stellenanzeige und verwenden Sie diese, um in einem Erstkontakt und/oder in den Bewerbungsunterlagen Ihre Passung zum Unternehmen und zur Stelle so präzise wie möglich zu kommunizieren. Wenn Sie sich bei Großunternehmen bewerben, ist das der einzige Weg am ATS (Applicant Tracking System) bzw. am CV-Parser vorbei. Denn diese Software durchsucht Ihren Lebenslauf auf die in der Stellenanzeige genannten Anforderungskriterien und Keywords. Erscheinen diese nicht, wird der CV aussortiert. Bereiten Sie sich außerdem auf jeden Kontakt vor, um Ihrem Gesprächspartner aus dem Unternehmen unnötige Arbeit abzunehmen.

(5) Die digitale weiße Weste

Die meisten Bewerber denken, dass die vergangene Performance zusammengefasst im Lebenslauf das Einzige ist, was für die Auswahl zählt. Aber der Arbeitgeber nimmt das ganze aktuelle (Bewerbungs-)Verhalten von der ersten Interaktion bis zur letzten als Grundlage seiner Auswahlentscheidung. Sobald einem potenziellen Arbeitgeber Ihr Name bekannt ist, zählt alles, was Sie tun oder lassen, beziehungsweise alles, was Sie getan oder gelassen haben und was davon im Internet Spuren hinterlassen hat. Laut Studien ‚googeln‘ mehr als 60 Prozent der Personaler die Kandidaten, bevor sie sie zu einem Interview einladen.

Tipp 5: Beachten Sie jederzeit und gegenüber jedem Vertreter des potenziell neuen Arbeitgebers, mit dem Sie in Kontakt treten eine höfliche Umgangsform. Und checken Sie einmal was Sie finden, wenn Sie Ihren Namen in Google eingeben – ggf. veranlassen Sie die Löschung ‚schädlicher‘ Einträge.

(6) Ich bin, ich kann, ich will

Arbeitgeber und Bewerber ticken nicht nur unterschiedlich, sie sprechen auch zwei unterschiedliche Sprachen. Von der Stellenanzeige über das Job-Interview bis zum Arbeitsvertrag entstehen deshalb oft Missverständnisse.

Tipp 6: Bevor Sie sich bewerben können Sie sich die Stellenanzeige und die Unternehmens-Homepage sehr genau anschauen und überlegen, warum Sie gerade für diesen Arbeitgeber und auf dieser Stelle arbeiten wollen und welche Fähigkeiten und Eigenschaften Sie dafür mitbringen. Außerdem ist es zielführend, wenn Sie sich die Wortwahl des Unternehmens genau anschauen und Begriffe googeln, die Ihnen unbekannt sind.

Spielregeln der Personaler bei der Bewerberauswahl

(7) Megatrend Digitalisierung

In der Personalarbeit läuft nichts mehr offline. Der Megatrend heißt Digitalisierung. Bei der Personalauswahl laufen heute schon über 90 Prozent aller Bewerbungen über Online-Bewerbungsportale oder per E-Mail. Es wird zudem immer mehr auf Big Data, People und Predictive Analytics, auf Applicant Tracking Systems und CV-Parser gesetzt, um passende Mitarbeiter zu finden.

Tipp 7: Bewerben geht heute digital und online. Wie gut kennen Sie sich mit dem Computer und den Online-Möglichkeiten aus? Steigern Sie Ihre Chancen, indem Sie sich fehlendes Wissen aneignen und/oder sich bei der Jobsuche und Ihren Bewerbungen helfen lassen.

Fazit

Sie steigern Ihre Chancen bei der Jobsuche, wenn Sie die Spielregeln der Personalauswahl kennen, sich in den Personaler hineinversetzen und ihm die Informationen, die er für die Auswahl benötigt, präzise geben. Versuchen Sie bei Ihren Bewerbungsaktionen dem Menschen auf der anderen Seite des Schreibtischs, dem Personaler, so viel Arbeit wie möglich abzunehmen und so viel Sicherheit wie möglich zu vermitteln, dass Sie der richtige Kandidat sind. Viele Erfolg.

Über den Autor

Hans-Georg Willmann fokussiert sich seit über 20 Jahren darauf, Menschen bei der Verwirklichung ihrer Karriere- und Lebensziele zu unterstützen. Dabei greift der Diplom-Psychologe und zertifizierte Coach (Berufsverband Deutscher Psychologen) auf ein fundiertes Business-Know-how in der Personalarbeit, im Coaching und im Outplacement zurück. 2003 gründete Willmann sein eigenes Unternehmen für Personalberatung & Coaching. Davor arbeitete er im Personalwesen, u.a. für den Deutschen Entwicklungsdienst (heute Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) und im Bereich der Outplacement-Beratung in Projekten für SIEMENS, DEBITEL und andere Großunternehmen. Willmann hat mehr als 30 Bücher geschrieben, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Darunter 30 Minuten Willenskraft, Erfolg durch Willenskraft und 30 Minuten Selbstvertrauen. Seine Mission: Menschen weiterbringen. Der Freiburger lebt seit 2016 in Australien und berät online: weltweit.