„Achtsamkeit“ (englisch mindfulness) gehört zu den Begriffen, die viele verwenden, ohne eine genaue Vorstellung von ihrer Bedeutung zu haben. Besonders die Kritiker lassen Verständnis vermissen, wenn sie Achtsamkeit vorschnell als etwas für „Weicheier“ und „Warmduscher“ verurteilen. In Wirklichkeit gehört Achtsamkeit zu den Top-Persönlichkeitsstrategien in einer Welt, die ständig in Eile scheint, in der andauernd neue Impulse auf uns einprasseln und in der wir Menschen uns von äußeren Kräften getrieben und unter Druck gesetzt fühlen.
Was ist Achtsamkeit?
Um von ihrer Kraft für ein besseres und leichteres Leben zu profitieren, müssen wir zunächst einmal Achtsamkeit definieren. In gewisser Weise hat sie sehr viel mit bewusster Aufmerksamkeit für das Hier und Jetzt zu tun, in dem wir uns jeweils befinden. Wir nehmen sowohl die Situation als auch unseren Körper und unsere Emotionen so wahr, wie sie sind, und akzeptieren dies als Ausgangspunkt für das, was wir tun können und wollen. Dabei lassen wir uns von beliebigen Gedanken, Erinnerungen oder Fantasien und starken Emotionen nicht ablenken. Wichtig ist dabei stets, die Lage, in der wir uns befinden, ohne Bewertung, ohne Vorurteile und ohne voreilige Schlüsse anzunehmen.
Nur wenn uns das gelingt, können wir in einer immer hektischeren und komplexeren Welt gute Entscheidungen treffen, intelligent handeln und unsere mentale Gesundheit bewahren. Da wir uns in unserem Menschsein nicht nur allein, sondern immer auch in unserem Zusammensein mit anderen definieren, gehört zur Achtsamkeit auch eine freundliche und mitfühlende Haltung anderen gegenüber.
Achtsamkeit kommt in vielen verschiedenen Lebensbereichen zum Tragen und ist nicht auf bestimmte Zusammenhänge beschränkt. Sie ist eine generelle innere Einstellung und eine Grundhaltung, die unsere Persönlichkeit prägt und in der wir der Welt und unseren Mitmenschen begegnen. Sie lässt uns aufgeschlossen und unvoreingenommen neue Erfahrungen begrüßen, statt sie durch Vorurteile abzulehnen. Damit ermöglicht sie, die Chancen und Potenziale des Moments und der Umstände wahrzunehmen, ohne die Risiken zu übersehen.
Warum ist das Thema relevanter denn je?
Wir alle kennen das: Ständig klingelt das Handy, E-Mails überfluten unseren Posteingang, soziale Medien üben Druck auf uns aus und WhatsApp sowie andere Messenger nötigen uns zu sofortiger Reaktion, wenn wieder eine neue Nachricht auf dem Display erscheint. Doch nicht nur das. Die Welt ist in permanenter Veränderung begriffen und eine Krise nach der anderen bedrängt uns.
Permanent kommen neue Ideen auf, denen wir folgen sollen, und verglühen wieder. Die Transformationen am Arbeitsplatz mit Digitalisierung und KI verlangen uns immer mehr ab und schüren die Furcht, von ihnen hinweggefegt zu werden. Und all das sind nur wenige Beispiele der vielen Reize, die uns Tag für Tag, Stunde um Stunde und im Minutentakt bestürmen.
Stress, Zweifel und nicht selten Angst sind zu regelmäßigen Begleitern unserer Leben geworden. Was wir dabei allzu leicht vergessen, ist, die Schönheit und die Freuden des Lebens zu erkennen, ihnen Raum zu geben und sie zu genießen. Natürlich ist die menschliche Existenz ohne Herausforderung und manchmal auch Überforderung nicht denkbar. Doch beidem muss ein Gegengewicht positiver Erlebnisse und Emotionen entgegentreten, um über eine Balance später zu einem Übergewicht glücklicher Momente zu gelangen, die unser Leben lebenswert machen.
In einer Welt voller Ablenkungen, Reize, Herausforderungen und Krisen unterstützt uns Achtsamkeit dabei, uns Zeit für uns selbst zu nehmen, um zur Ruhe zu kommen und unseren Geist zu beruhigen. Indem wir uns achtsam mit uns selbst und unserer Umwelt verbinden, können wir die Qualität unseres Lebens verbessern und unser persönliches Wohlbefinden steigern.
Denn nur, wenn wir achtsam sind, sind wir wach für die Chancen, die sich uns bieten und glauben daran, sie ergreifen zu können. Nur das versetzt uns in die Lage, unsere Aufmerksamkeit bewusst zu lenken und uns weder von äußeren Einflüssen noch von negativen inneren Befindlichkeiten überwältigen zu lassen. Wenn wir achtsam sind, können wir uns auf das Wesentliche jeder Situation, aber auch des ganzen Lebens konzentrieren und Entscheidungen treffen, die uns zu klug gewählten Zielen führen. Indem wir wachsam auf unsere Gedanken und Gefühle achten, befreien wir uns von selbst gemachtem Stress und werden immun gegen äußere Impulse, die sinnlos an uns zerren und unsere Ressourcen verbrennen.
Was bringt es uns, achtsam zu sein?
Wie bisher gezeigt, beschreibt die neue Bedeutung von Achtsamkeit weit mehr als das risikoarme „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“ oder ein rücksichtsvolles „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu“. Vielmehr geht es darum, durch aufmerksames Wahrnehmen und das Akzeptieren der faktischen Situation eine fruchtbare Distanz zu ihr zu gewinnen. In ihr gelingt es, uns selbst und unsere Lage wertfrei von außen zu betrachten. Das schließlich befreit uns von vorschnellen Urteilen, entzaubert vorurteilsgeprägte Meinungen und schützt uns vor überstürzten Impulshandlungen, die uns und unseren Beziehungen in vielerlei Hinsicht schaden. Leben wir dieses Prinzip konsequent, führt es uns von einem reaktiven zu einem proaktiven Lebensstil, in dem wir nicht mehr Opfer und Gefangene der Umstände sind. Wir kommen so in unsere Kraft und Freiheit.
In seinem Buch „Die 7 Wege zur Effektivität“ (GABAL Verlag 59. Edition 2018) beschreibt Stephen Covey Viktor Frankls „Prinzip der Pro-Aktivität“. In ihm liegt zwischen Reiz und Reaktion ein Raum, in dem Freiheit möglich ist. Diese Freiheit ruht auf den vier Säulen „Selbstwahrnehmung, Vorstellungskraft, Gewissen und freier Wille“. In seinem „Circle of Influence“ benennt Covey zwei Bereiche unseres Lebens: den „Betroffenheits- und den Einflussbereich“.
- In ersterem befindet sich alles, was uns zwar betrifft und gedanklich beschäftigt, das wir aber nicht ändern können.
- Im zweiten geht es darum, was in unserer Macht steht und was sich unserer Gestaltungskraft erschließt.
So ist das Wetter etwas, auf das wir keinen Einfluss haben, unsere Kleidung bei Sonne, Schnee und Regen aber wohl. Und nur darauf sollen wir uns konzentrieren. Re-aktive Menschen lassen sich von miesem Wetter die Laune verderben und bleiben schmollend zu Hause. Pro-aktive hingegen ziehen sich die richtigen Klamotten an und trotzen der Natur.
Achtsamkeit ist wichtig, um die beiden Bereiche sauber auseinanderzuhalten und sich nicht von Affekten der Betroffenheit hinreißen zu lassen. In einem weiteren Werk schrieb Covey (das Zitat wird häufig Frankl selbst zugeschrieben):
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“
Genau das ist der Punkt: Echte Freiheit entsteht erst dann, wenn wir nicht mehr im Gefängnis von Reiz und impulsiver Reaktion sitzen. Erst in dieser Freiheit führen wir ein körperlich, mental und emotional besseres Leben.
Körperlich und seelisch gesund
Wenn wir achtsam unserem Körper gegenüber sind und seinen Signalen folgen, treffen wir verantwortlichere Entscheidungen über unsere Gesundheitsvorsorge, unsere Ernährung und unsere Bewegung. Studien zufolge fördert eine achtsame Haltung unsere Entspannung, senkt unseren Blutdruck und stärkt unser Immunsystem. Bewussteres und gesünderes Essen erhöht dabei nicht nur unseren Genuss, sondern lässt uns auch unser Sättigungsgefühl spüren, was unser Gewicht kontrolliert und vielen Krankheiten vorbeugt.
Als weiterer positiver körperlicher Effekt, der ebenso der psychischen Gesundheit dient, verbessert eine achtsame Lebensführung auch unseren Schlaf. Indem wir unseren Gedanken und Gefühlen vor dem Zubettgehen bewusst begegnen, beruhigen wir unseren Geist und finden zu erholsamer Nachtruhe, ohne uns – berechtigt oder nicht – sorgenvoll hin und her zu wälzen und keine Entspannung zu finden. Denn nur guter Schlaf ermöglicht die Regeneration unseres Körpers und erlaubt unserer Seele, sich vom Stress der Tage zu erholen und einfach abzuschalten, was an morgigen Herausforderungen auf uns wartet.
Wenn wir achtsam sind, entkräften wir auch tagsüber belastende Gedanken und unnötige Sorgen, indem wir uns auf positive Gefühle und Erfahrungen konzentrieren. Dies hilft uns, Stress abzubauen und unsere mentale Gesundheit zu verbessern. Achtsamkeitstechniken wie Meditation und Atemübungen können uns dabei unterstützen, uns auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren und unseren Geist zu beruhigen.
Achtsamkeit und unsere sozialen Beziehungen
Weiterhin verbessern wir achtsam auch unsere Beziehungen zu anderen Menschen. Wir gehen offener und aufmerksamer auf ihre Gefühle ein und verstehen besser, welche Bedürfnisse sie haben. Wir werden sensibler für das, was unsere Mitmenschen bewegt und dafür, wie wir sie unterstützen können. Wir hören ihnen aufmerksamer zu und lösen uns von inneren Vorurteilen, mit denen wir ihnen Motive unterstellen, die nur in unserem Kopf existieren.
Indem wir ihre verbale und nonverbale Kommunikation mit uns ganzheitlich erfassen, erkennen wir auch die leisen Signale zwischen ihren Zeilen und reagieren auf das, was sie wahrhaft fühlen, denken und meinen. Das versetzt uns in die Lage, sowohl im direkten Kontakt situationsgerechter zu reagieren als auch unsere Beziehungen im Ganzen fruchtbarer, unterstützender und freudvoller zu gestalten.
Böse Worte, die auch 1000 Entschuldigungen nie mehr zurückholen können, gehören damit ebenso der Vergangenheit an wie zerbrechende Freundschaften oder berufliche Verbindungen, nur weil wir etwas anders Gemeintes in den berüchtigten falschen Hals bekommen haben. Gemäß Martin Bubers Worten „Der Mensch wird am Du zum Ich“ werden wir vertrauensvoller und vertrauenswürdiger im Umgang mit anderen. Unsere gelingenden Beziehungen wirken positiv auf unsere Seele zurück und lassen uns glücklicher und gesünder leben.
Achtsamkeit und Resilienz
Wie zuvor angedeutet, ist Achtsamkeit fast schon zu einem mit Vorurteilen und Halbwissen beladenen Buzzword geworden, um das sich die wildesten Vorstellungen von defensiver Lebensführung, ohne ein klar definiertes und gerne auch mal kantiges Persönlichkeitsprofil ranken.
Wenn es um einen gelingenden Umgang mit den immer rasanteren Zeiten und schwindelerregenden Transformationen geht, setzen viele auf das Prinzip der Resilienz und missverstehen auch das, indem sie es für psychische Härte gegenüber allen möglichen realen und gefühlten Bedrängungen halten.
Zwar stimmt es, dass Resilienz Widerstandsfähigkeit bedeutet, doch irren jene, die nur das Bild einer Mauer gegen den Druck des Lebens im Kopf haben. So gehört zum Beispiel auch der Bambus zu den widerstandsfähigsten Organismen auf der Erde, indem er mit Flexibilität auf das reagiert, was die Umwelt für ihn bereithält. Er stellt sich dem Sturm nicht stur entgegen, um unter seiner Gewalt zu brechen, sondern biegt sich im Wind, um sich nach dem Höhepunkt der Krise wieder aufzurichten und weiterzuexistieren.
Insofern können wir sagen, dass Achtsamkeit ein wesentlicher Aspekt der Resilienz ist, weil wir in ihr speziell, aber nicht ausschließlich unter Druck entscheiden können, wie wir mit einer Situation und mit Menschen so umgehen wollen, dass es zu unserem Wohl und dem anderer ist.
Verbindung zum Buddhismus
Dass Achtsamkeit seine Wurzeln im Buddhismus habe oder seinen Lehren zumindest verwandt sei, kann kaum bestritten werden. Sich höchst achtsam in sich selbst zu versenken, ist entscheidender Bestandteil jeder buddhistischen Meditation. Inwiefern „Unachtsamkeit“ auch heute noch unser Leben bestimmt, zeigt eine der bekanntesten Geschichten des Zen-Buddhismus, die tausende Male in Büchern zitiert und in sozialen Netzwerken geteilt wurde:
Ein Schüler fragte einmal seinen Meister, warum dieser immer so ruhig und gelassen sein könne.
Der Meister antwortete: “Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich esse, dann esse ich.”
Der Schüler fiel dem Meister ins Wort und sagte: “Aber das tue ich auch! Was machst Du darüber hinaus?”
Der Meister blieb ganz ruhig und wiederholte wie zuvor: “Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich …”
Wieder sagte der Schüler: “Aber das tue ich doch auch!”
„Nein“, sagte da der Meister. “Wenn Du sitzt, dann stehst Du schon. Wenn Du stehst, dann gehst Du schon. Wenn Du gehst, dann bist Du schon am Ziel.”
Die Stoiker
Die Stoiker im alten Griechenland sind heute noch berühmt dafür, selbst die härtesten und traurigsten Dinge des Lebens mit einem gewissen Gleichmut hinzunehmen, wenn sie sich ihrem Einfluss entziehen. Viele von ihnen plädieren aber auch dafür, in den Bereichen aktiv zu sein, auf die sie tatsächlich einwirken können. Zu ihnen gehört auch Marc Aurel, der 121 nach Christus in Rom geboren wurde und im Jahr 180 starb. Seine „Selbstbetrachtungen“ sind das letzte große Buch der Stoa und inspirieren noch heute viele Menschen auf ihrem Lebensweg. Eine der wesentlichen Figuren der stoischen Philosophie, die sich in Griechenland und Rom über ca. 600 Jahre hielt, war Epikur, der 341 vor Christus auf Samos das Licht der Welt erblickte und ca. 270 vor Christus in Athen sein Leben beschloss. Sein Augenmerk lag stärker auf den psychischen Aspekten der Existenz. Er schrieb:
„Was wir beeinflussen können, das sind unsere Auffassungen, unser Verlangen, unsere Abneigungen – also Akte unseres Geistes. Was wir nicht beeinflussen können, das ist unser Körper, unsere Besitztümer, unser Ansehen, öffentliche Ämter – also alles, was nicht Akt unseres Geistes ist“.
Moderne Zeiten und Existenzialismus
Wenn wir uns heute fragen, welche Haltung denn nun die richtige sei und inwiefern das moderne „Love it, change it or leave it“ unsere beste Devise ist oder Reinhold Niebuhrs aufgebohrte Version seines Gelassenheitsgedichts: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden“, kommen wir dem Ziel der Achtsamkeit schon sehr nah.
In ihr geht es darum, dem Impuls des Augenblicks zu widerstehen und einen begründeten Entschluss zu fassen. Dieser kann neudeutsch und vereinfacht heißen: „Aktiv anpacken, das Beste draus machen oder aussitzen, bis es vorbei ist.“ Auf keinen Fall verlangt Achtsamkeit das, was Kritiker Jean-Paul Sartres Existenzialismus zu Unrecht vorgeworfen haben – den sogenannten „Quietismus der Verzweiflung“, der alles hinnähme und der „die Schönheit des Lebens, die Lichtseite der menschlichen Natur“ vernachlässige.
In Wirklichkeit ist Achtsamkeit ganz Aktivität, aber eine, die zuerst versteht und erfühlt, was tatsächlich geschieht, bevor sie sich entscheidet und in Aktion tritt.
Können wir Achtsamkeit lernen?
Sicherlich ist Achtsamkeit nichts, das man aus einem Buch lernen kann, wie die Reparatur eines Autos, um nur ein Beispiel zu nennen. Ersatzweise können wir uns zu einem achtsamen Lebenskonzept entschließen und uns nach und nach in stärkere Achtsamkeit einüben. Nicht nur Meditationen, Yoga und andere ausgefeilte Techniken sind eine gute Unterstützung dabei. Auch Alltagsverrichtungen wie bewusste Nahrungsaufnahme, Spaziergänge und intensive Gespräche lassen uns das Leben erfüllter genießen.
Das regelmäßige Ausüben von Achtsamkeitspraktiken kann den Blutdruck senken und das Immunsystem widerstandsfähiger machen. Die Wahrscheinlichkeit von Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes und Entzündungsprozessen im Körper wird reduziert. Ganz allgemein wird berichtet, dass Schmerzen gelindert werden und dass die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten steigt.
Im mentalen Bereich zeigen sich Achtsamkeitsübungen stressreduzierend und lassen Entspannung eintreten, wo sonst Sorgen um die Zukunft und ungute Erinnerungen regieren. Das vermindert unsere Anfälligkeit für stressbedingte psychische Erkrankungen wie Angst oder Depression. Positiv steigern sie die allgemeine Aufmerksamkeit und verbessern das Konzentrationsvermögen. Sie wirken förderlich auf die emotionale Intelligenz, steigern unsere Produktivität und lassen uns kreativer sein.
Übungsbeispiele
Außerhalb der Livepraxis, in der wir uns stets zur Achtsamkeit aufrufen und uns schrittweise von der bewussten Impulskontrolle zur unbewussten entwickeln, haben wir auch die Option, spezielle Achtsamkeitsübungen in unseren Tagesverlauf einzubauen. Hier einige Beispiele für Achtsamkeitstraining:
1. Stille Besinnung
Wir halten im Lauf des Tages immer mal inne, ob im Sitzen oder Stehen. Dabei konzentrieren wir uns auf unseren Atem und die Regungen, die wir in unserem Körper wahrnehmen. Dann fragen wir uns und ergründen, wie wir uns ohne die üblichen Ablenkungen wirklich fühlen. In einer möglichen Variante konzentrieren wir uns auf einen Gegenstand in unserem Sichtfeld und beginnen, ihn innerlich zu beschreiben. Auch das zieht uns magisch aus dem Alltag und stärkt unseren Achtsamkeitsmuskel.
2. Gehmeditation
Eine schöne Übung für die Mittagspause und wann immer wir Zeit haben. Sie funktioniert aber auch, wenn wir tatsächlich zu einem Ort unterwegs sind. Wichtig ist nur, dass wir uns bewusst aus dem Strudel unserer üblichen Gedanken lösen und uns nur auf unser Gehen, unsere Schritte und unser Körpergefühl konzentrieren.
3. Atemmeditation
Hier ist der Name Programm. Wir fokussieren uns ganz auf unseren Atem und das, was er mit unserem Körper macht. Wenn wir spüren, dass unser Gehirn zurück in seinen Strudel will, rufen wir uns bewusst zur Ordnung und kehren zu unserer Atemwahrnehmung zurück.
4. Das Essen genießen
Primär dient das Essen natürlich der Kalorienaufnahme und viele von uns schlingen es viel zu hastig in sich hinein. Bevor wir uns an die Sättigung begeben, nehmen wir uns einige Bissen Zeit, die Mahlzeit bewusst zu genießen. Wir spüren die Nuancen des Geschmacks, riechen den Duft der Speise und erleben, wie unser Körper die Nahrung aufnimmt und vor der Verdauung verarbeitet.
5. Dankbar sein
Gerne beschließen wir den Tag mit einer Reflexion, die die schönen Dinge der vergangenen Stunden in den Blick nimmt. Dabei rekapitulieren wir die Situationen und Menschen, die damit verbunden waren. Wir spüren den Gefühlen nach, die uns durchströmt haben, und erfahren bewusst, warum wir für diese Erlebnisse dankbar sind.
Diese fünf Übungen gehören zu den gängigsten unter vielen anderen möglichen. Wenn wir diese und andere regelmäßig durchführen, werden wir mit der Zeit immer besser darin, uns in bestimmten Situation von sofezialen, mentalen, emotionalen und handlungsbasierten Schnellschüssen zu befreien. Wir gelangen so zwischen Reiz und Reaktion, legen zwanghaftes Verhalten ab, verhindern unbedachte Äußerungen und treffen keine überstürzten Entscheidungen mehr.
Nicht haben oder „einfach so machen“
Achtsamkeit ist etwas, das man nicht haben oder „einfach so machen“ kann, sondern leben muss. Sie beginnt mit dem Entschluss, die bisher erworbene Lebenspraxis auf neue und glücklicher machende Beine zu stellen. Wenn wir achtsam sind, leben wir präsenter und sehen die Welt so, wie sie ist, statt durch die Brille unserer Vorurteile und bremsenden Glaubenssätze.
Mit mehr Zufriedenheit und Glück, mentaler Energie und positiveren Emotionen treffen wir überlegtere Entscheidungen, wählen wir richtige Ziele und setzen mit Enthusiasmus um, wo wir früher die Flinte voreilig ins Korn geworfen haben. Indem wir mit dem neuen Geist unser Verhältnis zu den Mitmenschen verbessern, gewinnen wir leichter neue Freunde und machen bestehende Freundschaften und Liebesbeziehungen krisenfester. Wir werden in Familie und Erziehung gelassener, aber auch konsequenter, weil wir besser funktionierende Leitlinien mit mehr Empathie und Nachdruck verfolgen. Mit der gleichen Empathie arbeiten wir auch konstruktiver und erfolgreicher mit anderen zusammen und steigern die gegenseitige Achtung unserer Leistungen.
Wer wagt, kann nur gewinnen!
Wer jetzt noch glaubt, dass Achtsamkeit nur bedeutet, unter allen denkbaren Umständen ein übertrieben rücksichtsvoller Leisetreter zu sein, kann sich mutig und in Eigenregie vom Gegenteil überzeugen. Denn die achtsame Reflexion einer bedrückenden Situation kann auch dazu führen, sie wohlüberlegt und energisch aufzulösen. Sie lässt uns ein bestimmendes Nein wagen, wo wir zuvor zum unüberlegten Jasager geworden wären. Wenn uns Achtsamkeit gelingt, erhöht sie mit mehr Selbstvertrauen unsere Lebensqualität, macht uns selbstwirksamer und gesünder und lässt uns die kleinen und großen Freuden des Lebens voll und ganz genießen. Was will man mehr verlangen? Und was sonst außer Sorgen haben wir zu verlieren, wenn wir es einfach versuchen?
Bonus: Achtsamkeit testen
Kann man Achtsamkeit messen? Das ist nicht einfach, aber man kann es versuchen. Hier in unserem Onlinemagazin finden Sie einen Test, mit dem Sie Ihre Fähigkeit dazu testen können. Wir wünschen viel Spaß und erhellende Momente dabei und ein neues Leben mit Achtsamkeit, Klarheit und guten Entscheidungen ohne Reue.
Bild: AntonioGuillem / istockphoto