Kind und Karriere. Da ist erst einmal keine Wertung drin. Keine Priorisierung. Und, übrigens, auch kein Geschlecht. Und trotzdem hatten Sie vermutlich gerade eine initiale Reaktion auf die drei Worte, eine persönliche Meinung dazu, was wichtiger ist. Und, Sie dürfen es ruhig zugeben, vermutlich hat sich vor Ihrem inneren Auge eine Mutter abgezeichnet. Denn während Männer eine Karriere haben können, und ein Kind eben auch, scheint das eine beim männlichen Geschlecht recht unabhängig vom anderen existieren zu dürfen, während es bei Frauen schon eher eine Einheit ist. Kind und Karriere, das muss man – oder eben frau – zusammen denken, da muss man sich früh überlegen, was von beidem man möchte oder, falls der unglückliche Fall eintreten sollte, dass man eben doch der Dreistigkeit anheimfällt, beides zu wollen, dann muss man eben schauen, wo frau bleiben kann. Das ist übrigens selten in den Führungsetagen …
Kind und Karriere zu vereinbaren, war schon immer eine Herausforderung. Und eine echte Manager-Mama ist eher selten. Aber nicht etwa, weil wir von vielen Managerinnen nicht wissen, ob sie Familie haben, sondern, weil wir wissen, dass sie sie nicht haben. Und das muss sich ändern. Weil es für die Karrierestufe und den Job allgemein keine Rolle spielen sollte, ob jemand Elternteil ist oder nicht. Aber damit das irgendwann eintreten kann, müssen wir erst noch einmal ganz genau hinschauen – und ein bisschen Wissen anhäufen. Nach innen und nach außen.
Der Blick von außen (Zahlen, Daten, Fakten zur Mutterschaft und Führungspositionen)
Schauen wir zunächst einmal, was sich im Außen bereits getan hat: Etwa ein Drittel der Führungskräfte sind heutzutage weiblich. Dabei sprechen wir vor allem von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Je höher man geht, desto dünner wird nicht nur die Luft, sondern auch der Anteil an Frauen. Und noch einmal geringer ist der der Mütter in den Vorständen der Top-Unternehmen. 2020 lag die Frauenquote dort nämlich nur bei knapp 5 Prozent. Was wird also von Seiten des Staates getan, um das zu ändern?
Elterngeld und Elternzeit
2022, gut zehn Jahre nach Einführung des Elterngeldes, erhielten knapp 1,4 Millionen Frauen und 482.000 Männer die Unterstützung vom Staat. Dabei geht die Zahl der weiblichen Empfänger leicht zurück, die der männlichen steigt. So weit, so gut. Trotzdem kamen wir auch mit Steigerung nur auf gut ein Viertel Väter mit Elterngeldbezug. Ähnlich sieht es bei der Elternzeit aus. Auch hier haben 26,1 Prozent der Männer sich eine Auszeit gegönnt, um für den Nachwuchs da zu sein. Aber die Dosen sind homöopathisch. Im Schnitt drei Monate, dann rief die Erwerbstätigkeit die Tüchtigen zurück. Und bei den Frauen? Die hören den Ruf ebenfalls, aber da muss dann eben eine großzügige Portion Ohropax herhalten, denn Frauen folgen ihm im Schnitt erst nach über 14 Monaten. Eine Pause, die gern im Rudel auftritt: Pause auf dem Rentenbescheid. Pause auf der Karriereleiter. Denn glaubt man Studienleiterin Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e. V., dann verdienen Frauen auch auf höheren Karriereleitersprossen oft deshalb weniger, weil sie weniger Vollzeiterfahrung vorweisen können. Da hilft dann auch das ElterngeldPlus nicht mehr viel, das es Eltern erlaubt, länger Elterngeld zu beziehen, wenn sie während der Elternzeit in Teilzeit arbeiten.
Gesetzliche Regelungen
Quotenregelung: Ein hässliches Wort für eine durchaus gute Sache. Denn solange es nicht von selbst passiert, muss man es eben regeln. Seit 2015 gilt für große, börsennotierte Unternehmen eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent in den Aufsichtsräten. Und das funktioniert auch. Aktuelle Zahlen aus Februar 2024 zeigen, dass der Frauenanteil in den 179 untersuchten Unternehmen leicht gestiegen ist; auf insgesamt über 36 Prozent. Auch die Zahl in den Vorständen klettert langsam nach oben – ist aber eben immer noch recht stramm am Mindestmaß und, wenn wir genau hinschauen, auch dieses Mindestmaß ist noch weit entfernt von der paritätischen Führung, die erstrebenswert wäre.
Das 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz soll sicherstellen, dass Frauen genauso viel verdienen wie ihre männlichen Kollegen und diskriminierende Lohnunterschiede abgebaut werden. Damit wird die Durchsetzung des Prinzips „gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit" für Frauen und Männer in der Praxis unterstützt. Dafür sieht das Gesetz folgende Bausteine vor: Einen individuellen Auskunftsanspruch für Beschäftige, die Aufforderung von Arbeitgebern zur Durchführung betrieblicher Prüfverfahren sowie eine Berichtspflicht zu Gleichstellung und Entgeltgleichheit.
Der Blick nach innen
Gefühlt ist es bei dem Thema „Kind und Karriere“ wie bei einer Zeugenbefragung: Erkundigt man sich bei drei Personen, bekommt man vier verschiedene Antworten. Da sind zunächst mal die Rabenmütter. Das sind natürlich die, die Vollzeit arbeiten gehen, vollkommen unabhängig davon, ob ihre Kinder fröhliche Küken sind oder nicht. Dann gibt es die Latte-Macchiato-Mamas, die schaffen es nur in Teilzeit, aber immer noch besser als die Vollzeit-Mütter, denn die leben nun wirklich komplett am feministischen Gedanken vorbei. Was all diese Meinungen eint? Das fade Gefühl, dass Mütter es überhaupt nicht richtig machen können – egal, was sie tun. Und, und das ist vielleicht noch verheerender, der Eindruck, dass Mütter nicht nur für sich selbst entscheiden müssen, was der richtige Weg ist, sondern bitte vor allem für die Gesellschaft.
Das Perfide dabei? Als Mutter oder Frau sind Sie natürlich selbst ebenfalls Teil dieser Gesellschaft. So sehr wir es uns auch wünschen, wir können leider nicht einfach so den Schalter umlegen, alles vergessen, was uns anerzogen und nahegebracht wurde, und mit komplett frischem Blick durch die Welt gehen. Aber wir können hinterfragen, was wir zu wissen meinen oder zu glauben fürchten. Zum Beispiel mit diesen Ansätzen:
- Wie sind Sie erzogen worden hinsichtlich der Aufteilung von Erziehung und Betreuung durch Mutter und Vater?
- Welche Werte sind Ihnen wichtig?
- Was ist Ihnen wichtig in Bezug auf Kind und Karriere, ohne dabei an die Erwartungen Ihres Umfeldes zu denken?
- Wie denken Sie über Mütter, die Vollzeit, Teilzeit, gar nicht (erwerbsmäßig) arbeiten?
Entweder Mutter oder Führungskraft?
Wir leben immer noch in diesem sehr engen Bereich des Entweder-oder. Hört man sich aufmerksam um, muss man schon überrascht davon sein, wie früh und wie sorgfältig sich viele Frauen mit der Frage beschäftigen, ob sie Kinder möchten – ODER eine Karriere. Nach wie vor wird suggeriert, dass das eine schwer bis gar nicht möglich ist, wenn man das andere wirklich will. Und die Realität scheint das so zu unterzeichnen.
Hier liegt ein gewisser Teil der Verantwortung bei jeder Einzelnen, denn, wie oben bereits erwähnt, jede Einzelne ist Teil der Gesellschaft und damit auch für den Wandel verantwortlich. Was können Sie also tun, um sich selbst den Druck zu nehmen und es für folgende Generationen leichter zu machen? Einige gute Einstiegspunkte hat unsere Autorin Andrea Hartmair in ihrem Buch ManagerMama (ET: 2.10.2024) zusammengetragen:
- Aktives Nachfragen nach flexiblen Arbeitszeitmodellen, Homeoffice-Regelungen oder Teilzeit-Lösungen (zumindest für eine Weile).
- Transparente Kommunikation: Nur ein quietschendes Rad wird geölt. Sprechen Sie über Herausforderungen und Hürden und lösen Sie sich von dem Gedanken, als anstrengend oder undankbar zu gelten. Ein Bewusstsein kann nur dann geschaffen werden, wenn anderen bewusst ist, mit welchen Gedanken Sie sich tragen.
- Initiativen zur Gleichstellung: Sie müssen nicht direkt eine gründen, aber vielleicht können Sie einer bestehenden beitreten und so Unterstützung signalisieren, anbieten und natürlich auch erhalten.
- Feedback geben und nehmen: Konstruktives Feedback hilft, stereotypes Verhalten und Vorurteile aufzulösen. Dazu zählt auch bereits, ein achtlos hinausposauntes „die armen Kinder“ sofort zu widerlegen, wenn Sie das nächste Mal von Ihrer (geplanten) Doppelrolle als Mutter und Führungskraft reden. Denn Sprache formt Realität.
Die Rolle der Väter
So wie Frauen seit jeher eine wichtige Rolle bei der Karriereplanung der Männer gespielt haben, ist das umgekehrt natürlich ebenfalls ein wichtiger Erfolgsfaktor – und einer, der meistens eingefordert oder zumindest momentan noch offen besprochen werden muss. Häufig hat das nichts mit Böswilligkeit zu tun. Männer sind, ebenso wie Frauen, Opfer der Glaubenssätze und Einstellungen, mit denen sie aufwachsen. Daher ist es jetzt an der Zeit, den künftigen Kindern direkt andere zu vermitteln:
- Verteilung der Alltagsverantwortung: Oft hört man, dass Mütter die idealen Führungskräfte seien, weil sie multitaskingfähig, organisiert, effizient und eigentlich schlicht und ergreifend Übermenschen sind. Und schon hier liegt der Fehler: Mütter sollten keine eierlegenden Wollmilchsäue sein müssen, um die gleichen Chancen zu bekommen wie ihre männlichen und/oder kinderlosen Kollegen und Kolleginnen. Stattdessen sollte Müttern Arbeit abgenommen und die Haushaltspflichten neu und gerecht aufgeteilt werden.
- Frühzeitig und langfristig planen: Rollen, die nicht mehr fertig gebacken auf den Teller kommen, sondern individuell definiert werden, benötigen Planung und Kommunikation: Es ist wichtig, dass Paare frühzeitig über ihre beruflichen und familiären Ziele sprechen. Wer übernimmt welche Rolle in der Kinderbetreuung? Welche beruflichen Wünsche haben beide Partner? Ein offener Austausch über Erwartungen und Pläne hilft, Konflikte zu vermeiden. Außerdem sollten Sie gemeinsam überlegen, wie sich Karrieren und Familienplanung langfristig vereinbaren lassen. Wenn beispielsweise die Mutter eine Führungsposition anstrebt, könnte der Vater beruflich einen Schritt zurücktreten oder flexible Arbeitszeiten aushandeln.
- Organisation von Kinderbetreuung: Schlussendlich bleiben natürlich auch externe Betreuungslösungen (z. B. Krippen, Tagesmütter oder Ganztagsschulen), um eine langfristige Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen. Hierbei sollte auch der Vater aktiv in die Planung eingebunden sein und, ganz wichtig, Vorhaltungen haben hier nichts zu suchen. Natürlich kann es sein, dass es sich aus finanzieller Sicht nicht lohnt, für 30 Stunden eine Tagesmutter zu bezahlen, wenn damit das gesamte Gehalt, dass die Frau in dieser Zeit verdient, draufgeht. Aber was ist mit dem emotionalen Ausgleich, mit der Sinnstiftung der Arbeit, mit den Rentenpunkten und auch mit der langfristigen Karriere? Eine Mutter, die arbeiten möchte, sollte arbeiten können, denn der Grundsatz, der nach wie vor wahr ist, lautet vor allem: Happy parents, happy kids!
Die Werkzeugkiste der ManagerMama
Eins lernt man als Elternteil ziemlich schnell: Meistens kommt es anders, da hilft es, wenn man denkt. Und zwar vorher. Einen Notfallplan in petto zu haben, beruhigt nicht nur die Nerven, sondern sorgt auch dafür, dass der besagte Notfall sich vielleicht in ein Notfällchen verwandelt. Als Managerin oder Führungskraft kennen Sie das (hoffentlich) aus Ihrem Unternehmen. Den Krisenplan erstellt man vor der Krise und nicht erst, wenn man ihn benötigt. Deswegen haben wir hier einen der häufigsten Krisenmomente und ein paar mögliche Lösungen dafür:
Das Kind ist krank: Die Kinderwagen-Edition
Der Horror schlechthin: Das Kind wacht morgens fiebrig auf und der Terminkalender quillt sowieso schon über. Was nun? Laden Sie die AirPods, schnappen Sie sich Kinderwagen, Kind und Snacks und gehen Sie an die frische Luft. Das fördert Ihre Kreativität und durch Frischluft und Schlaf die Gesundheit Ihres Kindes. Die wichtigsten Termine können Sie so relativ entspannt telefonisch wahrnehmen. Alles andere: absagen. Hier durchzupowern und zu riskieren, dass sowohl Kind als auch Job auf der Strecke bleiben, hilft keinem.
Das Kind ist krank: Die Kleinkind-Edition
Wenn das Kind schon etwas älter ist, hilft zum Beispiel die „Wunderbox“ dabei, den Nachwuchs zu beschäftigen und ein paar freie Stunden zu gewinnen. Die Wunderbox ist eine Kiste, die mit besonderen Puzzles, Büchern und Spielen bestückt ist und nur in raren Momenten erscheint. So bleibt sie neu und aufregend. Die Kinder können sich in Ruhe ablenken, bis ihnen die Augen zufallen und Sie haben Zeit für (die wichtigsten) Meetings.
Das Kind ist krank: Die „Es geht gar nichts mehr“-Edition
Sprechen Sie mit Ihrem Partner, überlegen Sie, wer von Ihnen den stressigeren Tag oder die wichtigeren Meetings hat (das gilt analog für Szenario 1 und 2) und wenn das Los auf Sie fällt: Sagen Sie alles ab! Es klingt banal, aber sich auch für diesen Fall einen Plan zurechtzulegen, wirkt Wunder. Haben Sie beispielsweise eine Kollegin, die Sie anrufen können und die die Nachricht weitergibt? Gibt es eine vorformulierte E-Mail für Ihre Kunden und eine Abwesenheitsnotiz in Ihrem E-Mail-Provider? Bis wann entscheiden Sie oder geben Sie die Nachricht durch, ob am nächsten Tag wieder alles normal läuft? Legen Sie sich Antworten für diese Fragen zurecht. Und dann kümmern Sie sich um das Wichtigste: die Gesundheit Ihres Kindes.
Diese Tipps stammen übrigens aus ManagerMama (ET: 02.10.2024) von Andrea Hartmair – und genau da finden Sie auch noch einige mehr. Beispielsweise auch für die Szenarien „Überstunden und Elternabend“ oder „Abholzeit kollidiert mit Meeting“. Ein Buch, das wir allen aktuellen und künftigen ManagerMamas sehr ans Herz legen. Und von Ihnen wird es ja wohl hoffentlich bald noch eine ganze Menge mehr geben.
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