Persönliche Entwicklung, Karriere, Finanzen

Schnel­lig­keit durch Vertrauen

Ehrlich sein

Stephen M. R. Covey zeigt in seinem viel beachteten Buch »Schnelligkeit durch Vertrauen«, dass Vertrauen kein weicher Faktor ist, sondern ein pragmatischer und realer Wert, den man erschaffen und zur Handlungsgrundlage machen kann. Er präsentiert konkrete Vertrauensregeln und Prinzipien und zeigt, wie auf allen Ebenen eines Unternehmens Vertrauen aufgebaut, gelebt und gefördert werden kann.

Seine These:

Vertrauen ist eine Schlüsselkompetenz und eine Art Teilchenbeschleuniger für die Wirtschaft.

Ob im Beruf oder im Privatleben: Stephen M. R. Covey zeigt, welche Vorteile hohes Vertrauen tatsächlich bringt. Anschaulich erklärt er, welche 13 Schritte nötig sind, um Vertrauen zu schaffen, zu vergrößern oder wiederherzustellen. Dabei steht die praktische Umsetzung immer im Mittelpunkt. Sie erfahren, wie Sie beim Aufbau von Vertrauen ganz konkret vorgehen – als Einzelner, im Team, im Unternehmen, beim Kunden und im Markt. Denn:

Nichts wirkt schneller und effektiver als Vertrauen!

Einen ersten Einblick geben wir Ihnen in dieser Leseprobe zur ersten der 13 Verhaltensweisen: »Ehrlich sein«.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen und Erfolg bei der Anwendung!

1. Verhaltensweise: Ehrlich sein

»Mit Menschen, die einem nicht alle Informationen geben, habe ich Probleme. Sie lassen absichtlich bestimmte Teile der Geschichte aus oder sie verdrehen die Fakten.«
SHELLEY LAZARUS, EHEMALIGE VORSTANDSVORSITZENDE, OGILVY & MATHER

Wünschen Sie sich auch oft, dass die anderen ehrlich und direkt sind? Dass sie offen sagen, was sie denken und wollen? Wie sieht es mit dem Vertrauen aus, wenn sie das nicht tun? Und was ist, wenn sie es tun? Um Ihnen das zu veranschaulichen, möchte ich Ihnen von einem ehemaligen Kollegen erzählen:

Ich hab es ja gleich gewusst!

Beispiel

Mein Kollege sagte nie, wie er wirklich zu einer Sache stand. Er äußerte seine Meinung erst dann, wenn man schon absehen konnte, ob eine Entscheidung richtig oder falsch war. Dann setzte er nachträglich auf das siegreiche Pferd. Lautstark betonte er, dass er ja gleich gewusst habe, was gut und richtig ist. Bei einem unserer Führungskräfte-Meetings wurde ein sehr wichtiger Vorschlag gemacht. Ich wusste: Wenn wir diesen Vorschlag umsetzen, würden die Ergebnisse entweder fantastisch sein – oder es würde eine Katastrophe geben. Wie üblich sagte mein Kollege bei der Besprechung viel, legte sich aber nicht fest. Ich hatte seine Ausweichmanöver satt und wollte, dass er endlich einmal Farbe bekannte. Daher fuhr ich abends zu ihm nach Hause, um mit ihm zu sprechen. Er wusste, dass ich gegen den Vorschlag war. Als ich ihn fragte, wo er stand, antwortete er: »Oh, ich bin auch total dagegen.«

Ehrlich sein – Eine Leseprobe aus „Schnelligkeit durch Vertrauen“

Am nächsten Tag sagte ich vor dem versammelten Team zu ihm: »Bei unserem Meeting gestern war mir nicht klar, wie du über das Ganze denkst. Würdest du uns bitte deine Meinung sagen!« Bei diesem Treffen war auch unser Vorstandsvorsitzender anwesend. Alle wussten, dass er ein energischer Verfechter des Vorschlags war. Deshalb vertrat mein Kollege jetzt einen völlig anderen Standpunkt als am Abend zuvor. Ich war ziemlich sauer: »Gestern Abend hast du mir etwas ganz anderes gesagt! Da warst du strikt gegen diesen Vorschlag!« Er druckste herum und murmelte: »Ja, hmm, das habe ich eben zu diesem Zeitpunkt gedacht, aber …« Er war ein Meister darin, sich nicht festzulegen und sein Mäntelchen immer nach dem Wind zu hängen.

»Ehrlich sein« beruht auf den Prinzipien Integrität und Offenheit.

Es ist gelebte Wahrheit und hat zwei Bedeutungen:

  1. Seinem Gegenüber die Wahrheit sagen.
  2. Sich so klar und deutlich ausdrücken, dass man nicht missverstanden werden kann.

Beides ist unverzichtbar, wenn man Glaubwürdigkeit gewinnen und Vertrauen aufbauen will. Ein gutes Beispiel für Ehrlichkeit ist Warren Buffett. Er schreibt jedes Jahr einen Begleitbrief zum Geschäftsbericht seines Unternehmens. Darin schildert er seine Leistungen – und zwar so, wie sie wirklich sind! Ganz ohne Beschönigungen:

  • Diese Aufgabe habe ich im letzten Jahr nicht besonders gut erfüllt. Ich hatte gehofft, uns durch einige Übernahmen im Wert von mehreren Milliarden weitere große Gewinne sichern zu können. Das ist mir leider nicht gelungen.
  • Ich habe viel Zeit mit dem Versuch vergeudet, diese Sparte zu verkaufen … Ich hätte nicht so unentschlossen sein dürfen.

Im Gegensatz dazu klingen viele andere Geschäftsberichte wie PR-Texte, die das Unternehmen so gut wie nur möglich darstellen sollen. »2021 war für unser Unternehmen ein Jahr voller Herausforderungen …« Viele Berichte beginnen mit Floskeln wie dieser. In dem Fall kann man ziemlich sicher sein, dass das Unternehmen ein miserables Jahr hinter sich hat und man versucht, das Ganze zu beschönigen. Warren Buffett dagegen würde bei der Wahrheit bleiben und Schwierigkeiten auch offen und ehrlich ansprechen.

Lügen und täuschen zerstört Vertrauen

Das Gegenteil von »ehrlich sein« ist lügen oder täuschen. Das hat hohe Vertrauenssteuern zur Folge – entweder sofort oder später, wenn das Täuschungsverhalten entdeckt wird.


Wer lügt, zerstört das Vertrauen. Punktum! Lügner und Betrüger sorgen dafür, dass man ihnen kein Wort mehr glaubt!


Die meisten Menschen lügen nicht direkt. Vielmehr geben sie vor, ehrlich zu sein: Sie reden um den heißen Brei herum, halten Informationen zurück, sprechen mit gespaltener Zunge, schmeicheln … Doch alle diese Verhaltensweisen führen unweigerlich zu einer Verringerung des Vertrauens.

Wie wirkt sich »Ehrlich sein« auf die Schnelligkeit und die Kosten aus?

Nach einer Umfrage von Mercer Management Consulting sind nur 44 Prozent der Beschäftigten überzeugt, dass ihre Chefs offen und ehrlich sind. Etwa sechs von zehn glauben also, dass ihre Vorgesetzten nicht aufrichtig sind. Welche Auswirkungen hat das auf die Schnelligkeit und die Kosten in einem Unternehmen?


Mitarbeiter, die von den Führungskräften immer wieder Halbwahrheiten zu hören bekommen, verlieren das Vertrauen. Wenn dann Umstrukturierungen, Fusionen oder Entlassungen anstehen, betrachten die Leute das, was die Unternehmensführung sagt, mit großer Skepsis. Das verursacht hohe Vertrauenssteuern.


Viele Unternehmen leiden unter einer abwärts gerichteten Spirale von Halbwahrheiten und Ausweichmanövern. Das verringert das Vertrauen und führt zu einer zusätzlichen Quellensteuer. Diese Quellensteuer fällt an, weil die Leute Informationen für sich behalten. Daher gibt es in vielen Firmen statt einer Besprechung oft mindestens drei:

  1. Eine Vorbesprechung zur Vorbereitung und Positionierung.
  2. Die eigentliche Besprechung, in der wegen der vielen Ausweichmanöver kaum über die anstehenden Themen gesprochen wird.
  3. Die »Besprechungen nach den Besprechungen« – die kleineren Meetings, in denen die wirkliche Diskussion stattfindet und die wahren Probleme zur Sprache kommen.

Was kann man tun, wenn ein Unternehmen sich in einer abwärts gerichteten Spirale verfangen hat? Um diese Spirale zu durchbrechen, braucht man sehr viel Mut. Das ist wie im Märchen Des Kaisers neue Kleider von Hans Christian Andersen:

Der Zauberstoff

Beispiel

Ein Kaiser wird von zwei dreisten Betrügern hereingelegt. Sie behaupten, einen Zauberstoff weben zu können, der für alle unsichtbar ist, die dumm oder nicht für ihr Amt geeignet sind. Der Kaiser ist begeistert und beauftragt die Betrüger, ihm ein kostbares Festgewand zu weben. Die Betrüger machen sich an die Arbeit und tun so, als ob sie einen kostbaren Stoff herstellen würden. Da niemand dumm oder unfähig wirken will, loben alle den Stoff und seine herausragende Qualität. Obwohl die Wahrheit klar auf der Hand liegt, verfangen sich alle in Schmeicheleien und halten sich an die »Unternehmenspolitik«. Schließlich trägt der Kaiser die aus dem Zauberstoff geschneiderten »Kleider« bei einer Prozession. Die Leute am Straßenrand brechen in Ausrufe der Bewunderung aus. Doch plötzlich schreit ein kleines Kind: »Aber der Kaiser hat doch gar nichts an!« Das macht den anderen Mut, ebenfalls die Wahrheit zu sagen. Irgendwann rufen alle: »Er hat ja gar nichts an!«

Ehrlich sein – Eine Leseprobe aus „Schnelligkeit durch Vertrauen“

Wenn Menschen den Mut haben, ehrlich ihre Meinung zu sagen, passieren erstaunliche Dinge: Dann ist die Kommunikation offen und klar. Es gibt deutlich weniger Besprechungen und diese sind auf die wirklich wichtigen Fragen und Probleme ausgerichtet. Das Vertrauen wächst – gleichzeitig steigt die Schnelligkeit und die Kosten sinken.

Bis hier und nicht weiter!

Wie bei allem anderen kann man es natürlich auch mit dem Ehrlichsein übertreiben. Manche Führungskräfte rechtfertigen es mit »Offenheit« und »Ehrlichkeit«, wenn sie in der Kommunikation grausam und brutal sind. Vielleicht wissen sie nicht, wie sehr sie andere dadurch verletzen und wie negativ sich das auf das Vertrauen auswirkt? Vielleicht ist ihnen das auch egal? Bei diesen Führungskräften ist Offenheit jedenfalls keine Stärke, sondern eine große Schwäche.

Wenn man Vertrauen aufbauen will, ist es unerlässlich, ehrlich zu sein! Doch man sollte dabei Feingefühl walten lassen. Dieser Punkt hat sich mir unauslöschlich eingeprägt, als meine Familie Urlaub am Meer machte und ich beschloss, ins Wasser zu gehen. Ich zog mein Hemd aus – meine dreijährige Tochter sah mich an und rief: »Mann, Papa! Du hast vielleicht einen dicken Bauch!« Das stimmte – leider! Aber ein bisschen Takt und Rücksichtnahme hätten mir sehr gutgetan!

In der Familie ehrlich die Meinung sagen

Natürlich sollten wir nicht nur im Beruf ehrlich sein, sondern auch in unseren Freundschaften und in der Familie. Gerade bei engen Beziehungen ist es hilfreich, vor einem Gespräch seine Absichten darzulegen – vor allem, wenn man schwierige Dinge zu sagen hat oder zu hören bekommen wird. In folgenden Situationen ist Ehrlichkeit in der Familie und in der Partnerschaft besonders wichtig:

  • Eltern sollten ehrlich, offen und direkt sein, wenn sie mit ihren Kindern sprechen. Das gilt auch, wenn es um problematische Dinge wie Drogenmissbrauch oder Sex geht.
  • Paare sollten sich ihre Gedanken und Gefühle freundlich, aber klar mitteilen und gemeinsam auf Win-Win-Lösungen hinarbeiten – auch bei schwierigen Fragen wie Kindererziehung, Streitigkeiten mit den Schwiegereltern oder dem Umgang mit Geld.

Auch wenn es nicht ganz einfach ist, sollten Sie den wichtigsten Menschen in Ihrem Leben ehrlich und wertschätzend Ihre Meinung sagen. Sie werden sehen, das hat enorm positive Auswirkungen auf Ihre Beziehungen!

Ehrlich sein – Eine Leseprobe aus „Schnelligkeit durch Vertrauen“
Stephen M.R. Covey mit seinem Vater Stephen R. Covey

So sagen Sie anderen ehrlich Ihre Meinung

Im Folgenden habe ich einige Praxistipps für Sie zusammengestellt. Diese Tipps helfen Ihnen, anderen offen und ehrlich Ihre Meinung zu sagen:

  • Fragen Sie sich: Was hält mich davon ab, ehrlich meine Meinung zu sagen? Furcht vor den Konsequenzen? Angst davor, die Gefühle anderer zu verletzen? Oder der Wunsch, bei allen beliebt zu sein? Überlegen Sie, welche Dividenden Ihnen winken, wenn Sie ehrlich und offen sind. Denken Sie auch daran, welche Kosten Ihnen drohen, wenn Sie es nicht sind. Arbeiten Sie konsequent daran, Ihre 4 Grundlagen der Glaubwürdigkeit und Ihre Fähigkeit, ehrlich zu sein, zu stärken.
  • Machen Sie sich bewusst, wie Sie Gespräche führen: Halten Sie immer wieder bewusst inne und fragen Sie sich: Bin ich offen und ehrlich oder taktiere ich? Falls Sie die Dinge nicht beim Namen nennen, sollten Sie den Grund dafür herausfinden. Machen Sie sich auch klar, dass Sie hohe Vertrauenssteuern dafür zahlen müssen. Wenn Sie diese Steuern vermeiden wollen, sollten Sie dringend an Ihrer Integrität und Ihren Absichten arbeiten.
  • Lernen Sie, in Gesprächen schnell zur Sache zu kommen. Reden Sie nicht um den heißen Brei herum. Vermeiden Sie lange Vorreden und Ausschweifungen. Machen Sie sich klar, dass »weniger« in den meisten Fällen »mehr« ist. Halten Sie sich an den guten alten Juristenspruch: »Wer erklärt, verliert.«

Zusammenfassung

Sagen Sie die Wahrheit. Lassen Sie die anderen wissen, wo Sie stehen. Drücken Sie sich klar aus und nennen Sie die Dinge beim Namen. Manipulieren Sie niemanden, verzerren Sie keine Fakten. Erzählen Sie keine Halbwahrheiten. Achten Sie darauf, Missverständnisse zu vermeiden.

Über den Autor

Stephen M. R. Covey ist der Top-Experte, wenn es um Führung und Vertrauen geht. Sein New-York-Times-Bestseller Schnelligkeit durch Vertrauen ist das erfolgreichste Buch, das je zu diesem Thema geschrieben wurde. Bislang wurden über 3 Millionen Exemplare weltweit verkauft.

Stephen M. R. Covey ist kein Theoretiker, sondern ein Mann der Praxis. Als CEO des Covey Leadership Center legte der Harvard-Absolvent den Grundstein für eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Innerhalb von nur 3 Jahren verdoppelte sich der Umsatz auf über 110 Millionen US-Dollar. Der Shareholder-Value kletterte von 2,4 auf 160 Millionen. Unter der Leitung von Stephen M. R. Covey fusionierte das Unternehmen mit Franklin Quest. Heute ist FranklinCovey in knapp 150 Ländern vertreten und gilt als das erfolgreichste Beratungs- und Trainingsunternehmen der Welt. Wie all diese Erfolge möglich waren? Durch Vertrauen. Denn: Vertrauen ist die Kraft, die alles verändert!