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Sitzen­bleiber werden vom Fort­s­chritt verspeist

von Dr. Carl Naughton

Der AQ - der Anpassungs-IQ - dreht sich um das Gewinnen; gewinnen, indem wir die Regeln ändern; ändern, um nicht der Veränderung hinterherzulaufen, sondern um sie zu gestalten. Es geht also darum, das Veränderungsspiel nicht nur zu gewinnen, sondern es geht darum es besser zu spielen. Darum ist AQ mehr als bloße Flexibilität. Sie dreht sich um mehr als nur um das Zurechtkommen mit der Veränderung, sie dreht sich um den zukünftigen Fortbestand. Anpassungsfähigkeit ist nicht der Rückzug in die Höhle, wenn es regnet. Adaptability ist der Regenschirm, damit wir im Regen aus der Höhle herauskommen.

Drei Dimensionen hat diese Anpassungsfähigkeit, dieser AQ, in der Forschung: Denken, Fühlen, Verhalten. Drei Tools aus dieser Forschung davon überträgt dieser Artikel in den Alltag.

1. Situatives Gespür

Wir leben in einer Welt, in der es eine Anmaßung von Wissen gibt. Eines der letzten Dinge, die man an seinem Arbeitsplatz tun möchte, ist, die Dinge zuzugeben, von denen man weiß, dass man sie nicht weiß. Das wäre ein karrierebegrenzender Schritt. Es ist sehr uncool, über seine offenen Fragen zu sprechen. Das Ergebnis ist eine Anmaßung von Wissen. Offene Fragen drängen wir in den Hintergrund. Die Idee ist also, sich einen Kreis vorzustellen. Innerhalb des Kreises ist alles, was Sie wissen. Außerhalb des Kreises ist alles, was Sie nicht wissen. Der Rand des Kreises sind die offenen Fragen. Und Menschen mit einem hohen AQ neigen dazu, sich auf den Rand des Kreises zu konzentrieren. Sie fühlen sich wohl mit den Unbekannten, den Dingen, von denen sie wissen, dass sie sie nicht wissen.

2. Neo-Credos

In diesem Zeitalter der Ungewissheit hilft Anpassungsfähigkeit

Wir sind verhaftet in unserem negativen Vorwissen. Das entsteht, wenn wir wiederholt dieselbe Lösungsroutine verfolgen. Das verhindert, dass wir andere, sogar einfachere Lösungen entdecken.

Die AQ-Lösung: Das Top- Down-Vorgehen des Gehirns ausschalten, denn sonst ignoriert unser Gehirn Vorschläge, lehnt Beweise ab aufgrund dessen, was es gespeichert hat und top down auf neue Situationen anwendet. Wissen Sie, was ich extrem gerne mache, um diese Top Down Falle durch Neo Credos, also neue Überzeugungen, zu ersetzen? Zur falschen Tagung gehen. In Berlin, München, Hamburg, Frankfurt, gibt es Meetings und Kongresse in jedem Hotel. Die ganze Zeit. Die meisten geben nicht einmal Sicherheitsbadges aus. Sie können einfach reingehen. Setzen Sie sich hin, mit einem Notizblock und hören Sie zu. Da nehmen Sie dann Gedanken mit, die in ihrer eigenen Branche sonst keiner hat

3. Aktives Verlernen

Wir müssen aktive Verlerner werden. Jede Organisation, unabhängig von der Art der Institution, die sie ist, strebt nach Stabilität. Wir leben, so sagt es der Organisationsforscher Eric Tsang, in einer Welt, in der der stärkste Prädiktor für Stabilität die Fähigkeit zum Verlernen ist. Verlernen bedeutet weder das Vergessen noch das Entfernen alter Informationen, Erfahrungen oder Denkweisen; stattdessen geht es darum, neue Muster der synaptischen Kommunikation aufzubauen, die andere Denkweisen unterstützen können.

Verlernen entwickelt sich zu einer Kernkompetenz. Alvin Toffler formulierte es so:

"Die Analphabeten des 21. Jahrhunderts werden nicht diejenigen sein, die nicht lesen und schreiben können, sondern diejenigen, die nicht lernen, verlernen und umlernen können."

Die Dinge, die Sie in der Vergangenheit erfolgreich gemacht haben, sind genau die Dinge, die Sie möglicherweise an adaptivem Verhalten hindern. Wahrnehmung, Reflexion und Handeln. Und da sich das Tempo des Wandels beschleunigt, ist Ihre Fähigkeit, zu verlernen, ebenso wichtig wie Ihre Fähigkeit, Neues zu lernen.

Ich möchte, dass Sie dies bewusst angehen. Fragen Sie sich häufig, welche Dinge wir jetzt verlernen müssen? Dann betrachten Sie erstens, ob Sie ein mentales Skript verwenden, um Ihr Verhalten zu steuern. Unser Gehirn funktioniert so, dass es sehr nützlich ist, wenn wir einmal ein Verhalten wie Autofahren oder Schuhe zubinden gelernt haben, dass wir uns einfach an diese Dinge erinnern, ohne uns in Zukunft wirklich anzustrengen. Ein anderes Beispiel ist das Ducken, wenn Ihnen jemand einen Ball an den Kopf wirft. Wenn Sie sich also dabei ertappen, dass Sie eine Idee sofort wieder verwerfen, sobald sie Ihnen in den Sinn kommt, sollten Sie sich fragen, ob hier ein mentales Skript am Werk ist und ob Sie Ihr Denken hinterfragen sollten.

Fazit

Kein noch so großes Bedauern kann die Vergangenheit ändern, und keine noch so große Sorge kann die Zukunft verändern.  Was hilft stattdessen? In diesem Zeitalter der Ungewissheit hilft Anpassungsfähigkeit. Sie ist aktiv, sie ist reaktiv und sie ist proaktiv. Sie verbindet Gestaltungkraft mit Reaktionsfähigkeit. Sie ist der Unterschied, der den Unterschied macht.

Über den Autor

Dr. Carl Naughton ist Linguist und Wirtschaftspsychologe. Seit 2000 betreibt er das Open Mind Lab, dessen Projekte sich um mehr Offenheit dem Neuen und der Veränderung gegenüber widmen. Er hat das Prinzip der 4 Open Minds ins Leben gerufen, das die curious mind mit der clever mind, der courageous mind und der adaptable mind vereint. Damit begleitet er Innovations- und Transformationsprozesse vom Kulturwandel bis zur ERP-Software-Einführung. Er ist Hochschuldozent für Wirtschafts- und Führungspsychologie an der FOM Frankfurt, Research Fellow der Northern Business University und Studienautor für das Zukunftsinstitut (Neugiermanagement, Playful Business, Digitale Erleuchtung). Seit 2016 ist er Mitglied im Curiosity Council der Merck KG, der das Ziel verfolgt, mit einer nachweislichen Steigerung der beruflichen Neugier das Innovationsklima zu verstärken. Carl Naughton steht dabei oft auf der Bühne und vermittelt die Forschungserkenntnisse unterhaltsam und praxisnah. Darüber hinaus ist er Kolumnist bei der Frankfurter Rundschau.

Bildnachweis: Azovsky / istockphoto