Marketing, Kommunikation, Vertrieb

Was eine Body­lo­tion mit Vertrieb zu tun hat?

von Ulrike Knauer

Stellen Sie sich zwei Männer vor, die ihren Partnerinnen von der Geschäftsreise etwas mitbringen möchten. Die beiden stehen im Duty-Free und überlegen, welche Bodylotion wohl die Richtige wäre. Da sehen sie die Lieblingspflegeserie ihrer Frauen und haben die Wahl. Entweder die Lotion mit Anti-Aging oder die ohne. Einer der Männer greift zur Lotion ohne Anti-Aging, denn die hat er schon daheim im Bad stehen sehen. Der andere überlegt – unter Zeitdruck, da bald das Meeting startet – welche wohl die richtige Bodylotion wäre und beschließt dann, seiner Frau das Geld zu geben, damit sie selbst aussuchen kann. Beide Männer geben gleich viel Geld aus. Welche Frau freut sich mehr, was denken Sie? Welche Entscheidung hat mit wahrem Interesse zu tun? Selbst wenn das Ergebnis das gleiche ist, macht es doch einen extremen Unterschied, wie ausgewählt wird. Und ob die Ehefrau die Geste eher als aufmerksam oder als lieblos empfinden wird.

Finden Sie heraus, was Ihr Kunde wirklich will!

Wie oft kümmern wir uns im Vertrieb nur um das, was wir sagen wollen und beachten nicht, WIE wir etwas sagen. Wir präsentieren Produkteigenschaften, Referenzen, Studien, überschütten den potenziellen Kunden geradezu mit Zahlen, Daten und Fakten. Und denken dann auch noch, dass das  erfolgreicher Vertrieb sei, der Vertrauen und Verbindlichkeit herstellt. Tut mir leid, Sie da enttäuschen zu müssen. Doch mit der Kommunikation des reinen Inhalts begeistern Sie heute niemanden mehr. Eine Information, die nicht entsprechend aufbereitet wird, so dass sie Aufmerksamkeit erzeugt und Ihr Kunde sie auch annehmen kann, ist wertlos. Und Aufmerksamkeit erzeugt nur, was den Kunden auch wirklich interessiert. Im Umkehrschluss bedeutet das für Sie: Finden Sie heraus, was Ihr Kunde wirklich will! Und das gelingt nur, wenn Sie wahres Interesse an seinen Wünschen und Bedürfnissen zeigen.

Verbindlichkeit und Kompetenz im Vertrieb

Was eine Bodylotion mit Vertrieb zu tun hat

Einer der wichtigsten Faktoren im Verkauf ist es, eine hohe Verbindlichkeit zum Kunden herzustellen. Und das gleich von Anfang an. Verkäufer können in der Regel gut überzeugen und argumentieren. Sie versuchen daher, diese Verbindlichkeit über Expertenwissen und Produkteigenschaften aufzubauen – und meinen dann, das wäre Kompetenz. Knapp daneben ist auch vorbei.

Eines der wichtigsten Bedürfnisse von Menschen ist es, dass man sich für sie interessiert und ihnen empathisch zuhört – mit ehrlichem Interesse. Stellen Sie sich vor, Sie gehen nach einem Sportunfall wegen Knieschmerzen zum Arzt. Sie kommen dort hinein, der Arzt sitzt an seinem Schreibtisch und schreibt etwas auf einen Block, während Sie zu seinem Schreibtisch gehen. Der Arzt schaut Sie an – und gibt Ihnen den Zettel, den er gerade geschrieben hat und sagt: „Reiben Sie damit 2 Wochen Ihr Knie ein. Sollte es dann nicht besser sein, kommen Sie wieder!“

Was würden Sie denken? Quacksalber? Inkompetenter Kerl? Sicher so etwas Ähnliches.

Gleiche Situation bei einem anderen Arzt: Sie kommen in das Sprechzimmer und der Arzt sitzt an seinem Schreibtisch und schreibt etwas auf einen Block, während Sie zu seinem Schreibtisch gehen. Der Arzt schaut auf und bittet Sie auf die Liege. Er bewegt Ihr Knie in verschiedene Richtungen und fragt, ob es weh tut. Dann geht er zu seinem Schreibtisch, nimmt den Zettel, den er vorher geschrieben hat, gibt Ihnen diesen und sagt: „Reiben Sie damit zwei Wochen das Knie ein und sollte es dann nicht besser sein, kommen Sie wieder!“

Wer ist jetzt der Kompetentere der beiden Ärzte? Wo fühlen Sie sich besser behandelt? Keine Frage, werden Sie sagen, natürlich beim zweiten Arzt. Was dieses Beispiel deutlich macht: Kompetenzwirkung ist subjektiv und erfolgt nicht über die Art der Lösung, sondern über den Weg zur Lösung. Davon können Sie sich als Verkäufer eine Scheibe abschneiden! Es bedeutet, dass Sie im Verkauf empathisch zuhören und nachfragen sollten, sich gewissermaßen in die Schuhe des Kunden stellen und sich für seine Sicht interessieren. Dann wirken Sie kompetent. Und nicht durchs Argumentieren und Überreden, ohne zu wissen, was der Kunde wirklich möchte! Einfach, aber effektiv.

Wann kauft der Kunde?

Zu welchem Zeitpunkt und aus welchem Grund soll der Kunde denn kaufen? Versetzen Sie sich in Ihren Kunden hinein. Was interessiert ihn? Und das Wichtigste: Was hat der Kunde für einen Mehrwert, wenn er Ihr Produkt kauft? Und welchen Mehrwert hat er aus seiner Firmensicht und aus seiner Sicht als Mensch? Kein Kunde wird bei Ihnen kaufen, wenn Sie ihm das Leben als Mensch erschweren, indem sie sich nicht sofort zurückmelden. Oder wenn es zwischen ihm und Ihnen einfach nicht matcht, weil Sie unpersönlich bleiben. Vor allem dann nicht, wenn er noch eine Wahlmöglichkeit hat. Dem Kunden nur Fakten über Ihr Produkt aufzuzählen, bewirkt, dass er ab einem gewissen Zeitpunkt einfach abschaltet. Gehen Sie stattdessen lieber darauf ein, WARUM bestimmte Eigenschaften des Produkts Ihrem Kunden das Leben leichter machen! Positiver Nebeneffekt: Wenn man von Anfang an dem Käufer klarmacht, was er davon hat, welchen Nutzen er auch persönlich hat, haben Sie sich häufig auch die lästigen Preisdiskussionen erspart. Denn der einzige Vergleich, den der Kunde machen kann, ist der des Preises, wenn er sonst keine Vergleichsmöglichkeit von Ihnen bekommt. Also: Gehen Sie immer vom Interesse des Kunden aus, nicht von Ihrem eigenen!

Den Fokus ändern

Ist Ihnen bewusst, wie es Ihrem Gegenüber mit dem Thema, welches Sie ansprechen, geht? Unsere eigene Wahrnehmung ist meist nur auf uns selbst gerichtet. Wir kennen unsere Botschaft, unser Expertenwissen, unser Motiv und auch unser Bedürfnis und vergessen dabei, auf die Befindlichkeit unseres Kunden zu schauen. Unser Filter wird von unseren persönlichen Erfahrungen beeinflusst, wie wir die Welt wahrnehmen. Er hindert uns daran, den Gesprächspartner da abzuholen, wo er steht. Und der Kunde hat nun einmal seine eigenen Filter, mit denen er die Welt sieht. Was Sie ebenfalls im Hinterkopf haben sollten: Er hat Ihren Wissensvorsprung nicht und versteht Sie daher auch nicht sofort. Holen Sie ihn gedanklich ab, indem Sie sich erst einmal in seine Welt begeben und aus seiner Sicht die Situation oder auch den Leidensdruck verstehen.

Wir als Menschen entscheiden über 90 Prozent emotional. Das ist inzwischen mehrfach wissenschaftlich belegt. Wenn wir das akzeptieren, ist die logische Folge, sich im Verkaufsgespräch auf die Emotionen und den Menschen zu konzentrieren. Starten Sie doch direkt auf der Beziehungsebene! Und damit meine ich nicht eine Frage à la: „Wie geht es Ihnen…. Und wie war die Anreise …?“ Diese Ansprachen sind nicht persönlich, sondern einfach nur abgedroschen.

Ich gehe noch einen Schritt weiter: Interessieren Sie sich für Ihren Kunden wie für Ihren besten Freund! Und reden Sie mit ihm auch wie mit Ihrem besten Freund. Weniger Fakten – mehr Beziehung. Nun denken Sie möglicherweise: „Ich tue das ja bereits.“ Super, wenn das Interesse wirklich echt ist. Denken Sie daran: Jedes aufgesetzte Interesse wirkt kontraproduktiv, da Ihre Stimme und Körpersprache unterbewusst viel schneller als jedes gesprochene Wort vermittelt, wie Ihre echte Haltung zum Kunden ist.

Polarisieren

Versuchen Sie bitte nicht, Anderen ein gutes Gefühl zu geben, indem Sie Konflikte oder Negativbotschaften vermeiden. Reden Sie nicht um den heißen Brei herum. Wenn es darum geht, negative Nachrichten auszusprechen, dann tun Sie es und bleiben Sie dabei wertschätzend, ehrlich und direkt in der Sache und verbindlich zum Menschen. Haben Sie Mut, es direkt anzusprechen. Das erzeugt Verbindlichkeit und Vertrauen.

Empathisch zuhören, um zu verstehen

Wie oft hören wir richtig zu und versuchen, den anderen tatsächlich aus seiner Sicht zu verstehen, anstatt nur zuzuhören, um etwas aus der eigenen Sicht zu erwidern? Ich merke das immer wieder in Trainings. Sobald wir einen Gedanken im Kopf haben, versuchen wir über indirekte Fragen diesen Gedanken als Wahrheit zu verifizieren. Die geschlossene Frage wird unbewusst gestellt, damit der Kunde unseren Argumenten zustimmt. Achten Sie einmal darauf. Fragen Sie stattdessen lieber aktiv nach der Sicht Ihres Gegenübers, wie er die Welt und diese Situation sieht, anstatt zu interpretieren. Vielleicht ist er ja nur in Ihr Geschäft gekommen, weil es draußen regnet? Wer nicht fragt, bleibt dumm.

Die meisten Konflikte entstehen durch einseitige Kommunikation aus der eigenen Sichtweise. Der Wechsel der Perspektive hilft, die Ängste, Probleme, Bedürfnisse des Gesprächspartners zu verstehen und aus seiner Sicht zu argumentieren. Weil wahres Interesse verkauft – und Kunden viel lieber kaufen wollen, als etwas verkauft zu bekommen!

 

Über den Autor

Ulrike Knauer ist Vortragsrednerin, Trainerin und Autorin und gilt als Expertin für das Thema „Werteorientierter Spitzenverkauf". Sie ist seit 1989 aktiv im Verkauf B2B und war viele Jahre erfolgreich im Bereich internationaler Marktaufbau tätig, unter anderem als Geschäftsführerin in sieben Ländern für die englische Post „Royal Mail“. Weitere weichenstellende Berufsstationen stellten ihr Engagement als Direktorin bei der Berlitz Sprachschulen GmbH und ihre Tätigkeit als Key-Account-Managerin bei Sixt dar.
Ihre unterhaltsamen und praxisnahen Keynotes überzeugen ihr Publikum. Ihre Trainings zeichnen sich durch hohes psychologisches Know-how, fundiertes Fach- und Praxiswissen sowie geballte Motivationskraft aus. Praktisch und praxisorientiert zeigt sie Führungskräften und Mitarbeitern – auch in englischer Sprache –, wie mit Selbstbewusstsein und Kompetenz Abschlussquoten von über 90 Prozent zu erreichen sind. Eine Quote, die Ulrike Knauer in ihrer langjährigen Tätigkeit in der Praxis regelmäßig erreicht hat. Ulrike Knauer lebt heute in Innsbruck, Österreich.