von Dr. Pero Mićić
Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Alles, was wir Menschen kognitiv können, wird Künstliche Intelligenz bereits heute oder schon bald besser können – zumindest, was Spezialaufgaben betrifft. Und alles, was der Mensch physisch mit seinem Körper kann, übernehmen Roboter bereits heute oder sehr bald.
Wenn die intelligenten Maschinen also praktisch jede Spezialaufgabe besser erledigen können als wir Menschen: Wo sind wir als Menschen dann besonders?
Was ist die wichtigste Kompetenz, mit der man auch in der Zukunft gut bezahlte Arbeit hat?
Ein Beispiel: Wenn ich sicher sein will, dass meine Ärztin wirklich alle Therapien gegen eine schlimme Erkrankung berücksichtigt, dann will ich, dass sie eine KI einsetzt, die in wenigen Minuten eine Million medizinwissenschaftlicher Publikationen liest und auf der Basis meines einzigartigen genetischen Profils die erstbeste, zweitbeste und drittbeste Therapie empfiehlt. Für den nächsten Patienten macht die KI das gerade nochmal. Wieder in ein paar Minuten. Wieder auf der Basis eines einzigartigen Genoms. So schnell und präzise können Menschen gar nicht arbeiten. Gegen diese Konkurrenz sind wir heute schon chancenlos.
Und doch möchte ich, dass auf diese Beratungsergebnisse der intelligenten Maschine noch ein Mensch draufschaut. Weil Millionen Jahre Evolution nicht neutralisiert sind, nur weil wir seit 70 Jahren an KI arbeiten und sie jetzt endlich beginnt, zu funktionieren.
Wir Menschen sind soziale Wesen. Und auch wenn wir manchmal an den Menschen verzweifeln, so brauchen wir doch andere, um uns wohlzufühlen. Ich will in Augen sehen, denen ich vertrauen kann. Die mich leiten können. Ich will mit einem Menschen sprechen, der mir hilft, durch diese komplexe Welt zu navigieren. Der mir ein gutes Gefühl gibt, der mir hilft, die Aussagen der KI einzuordnen, ob sie plausibel sind oder nicht.
Welche Fähigkeit macht uns besonders?
Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Wenn meine Ärztin in Zukunft nur in Zusammenarbeit mit der KI ihre beste Leistung erbringen kann – welche Qualifikation braucht sie dann? Sie muss eine exzellente Ärztin sein. Und dafür muss sie ein exzellenter Mensch sein. Das ist die Schlüsselqualifikation.
Denn wir als Menschen sind der KI überlegen in der Breite. Wir beherrschen die Komplexität. Wir überblicken das Ganze. Wir bestimmen die Werte und die Ziele. Wir sind die Chefs. Wir dürfen und müssen uns darauf konzentrieren, exzellente Menschen zu werden und zu sein. Wir können anderen Menschen die guten Gefühle geben. Auch die schlechten natürlich, aber als exzellente Menschen vor allem die guten Gefühle. Ein exzellenter Mensch zu werden und zu sein, das ist die wichtigste Qualifikation für die Zukunft. Die Schlüsselqualifikation.
Was bedeutet Exzellenz als Mensch?
1. Emotionale Intelligenz:
Seit 1990 nennt man so die Fähigkeit, eigene und fremde Emotionen richtig wahrzunehmen, einzuschätzen und mit ihnen sinnvoll umzugehen. Schon vor hundert Jahren nannte man das auch soziale Intelligenz. Empathie ist dabei die vielleicht wichtigste Fähigkeit, sich in die Emotionen und die Situation des anderen hineinzuversetzen.
2. Kommunikationsfähigkeit:
Seine Emotionen und Gedanken präzise in Wort, Schrift und Bild ausdrücken zu können, wird immer wichtiger, und gleichzeitig hat man den Eindruck, dass diese Fähigkeit immer weniger weit verbreitet ist.
3. Logisches Denken und Verhalten:
Emotional sind wir ja von Natur aus. Viel zu oft unvernünftig und kurzsichtig. Da brauchen wir nichts für zu tun. Da müssen wir nur schauen, wie unlogisch und sogar dumm sich der Mensch beispielsweise bei der Energiegewinnung oder der Ernährung verhält. Von den Verschwörungstheorien und den zum guten Teil erschreckenden Beiträgen in den sozialen Medien ganz zu schweigen. Angesichts dessen halte ich logisches Denken für die vielleicht wichtigste Fähigkeit eines exzellenten Menschen. Mit besserem logischen Denken wäre die Menschheit und die Welt friedlicher und nachhaltiger und hätte noch mehr Lebensqualität für alle erreicht.
4. Selbstführung:
Ein exzellenter Mensch schafft es, sich selbst so zu führen und zu steuern, dass er die eigenen selbst gesetzten Ziele häufig erreicht. Gute Vorsätze und Ziele sind leicht erstellt, aber an der Umsetzung scheitern fast alle fast immer. Exzellente Menschen haben viel Umsetzungskraft. Und dabei hilft die Fähigkeit zur Selbstführung.
5. Veränderungsfähigkeit:
Wir müssen lernen, uns mit Veränderung und Innovation wohlzufühlen. Gar sie zu lieben. Der beste und einfachste Weg dazu ist, dass wir selbst uns und die unmittelbare Welt um uns herum immer mehr zum Besseren verändern. Denn die eigenen Ideen zur Veränderung lieben wir. Nur die Ideen der anderen hassen wir, weil sie uns zur Veränderung zwingen, statt dass wir sie selbst wollen.
6. Ethisches Verhalten:
So zu handeln, dass wir damit die Welt und das Leben anderer besser machen, zumindest aber nicht schädigen. Genau: der kategorische Imperativ.
7. Unternehmertum:
Menschen, die etwas unternehmen, sind die Generatoren des Wohlstands und der Lebensqualität. Und aller Steuern, denn ohne Unternehmen gibt es keine Jobs und keine privaten Einkommen. Also auch keinen Staat, keine Behörden, keine öffentlichen Dienstleistungen und kein Sozialsystem. Wir brauchen möglichst viele starke erfolgreiche Unternehmer, Frauen wie Männer. Es ist für mich unfassbar, dass nur ein kleiner Teil der Menschen Unternehmer sein will oder kann.
Meine Liste ist natürlich nicht vollständig. Es hängt auch vom Weltbild ab, wie man sich einen exzellenten Menschen vorstellt. Schade und eigentlich fatal ist es aber, dass keine einzige dieser Fähigkeiten, wirklich nicht eine davon, dort vermittelt wird, wo junge Menschen für das Leben ausgebildet werden: in den Schulen. Es wird alles Mögliche gelehrt und vermittelt. Aber ausgerechnet die wichtigsten Fähigkeiten nicht. Dabei ist jede dieser Qualifikationen entwickelbar und trainierbar.
Was können wir nun für unsere Zukunft tun?
Führungskräfte können diese Fähigkeiten bei ihren Mitarbeitern fördern, exzellente Menschen einstellen und ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, exzellente Menschen zu werden und zu sein. Eltern können diese Fähigkeiten zur Priorität in Erziehung und Ausbildung machen. Jeder von uns kann auch selbst immer wieder kleine Schritte zum exzellenten Menschen machen.
Über den Autor
Prof. Dr. Pero Mićić gründete 1991 das erste Unternehmen für Zukunftsmanagement in Europa, die FutureManagementGroup AG, deren Vorstandsvorsitzender er ist. Er spricht täglich mit den Spitzen der Wirtschaft. Als Investor, unter anderem im Feld der Künstlichen Intelligenz, ist Pero Mićić hautnah am Puls der Trends, Zukunftstechnologien und Geschäftsmodelle. In gut 1.200 Projekten hat er mit den Führungskräften bekannter Großunternehmen und führender Mittelständler Zukunftsmärkte analysiert, Visionen und Zukunftsstrategien entwickelt und die Mitarbeiter für die Umsetzung gewonnen. Dr. Mićić ist Professor für Foresight und Strategie. Das Leader’s Foresight Institute in Luzern führt er als Präsident. Er ist Gründungsmitglied des Berufsverbandes „Association of Professional Futurists“ in den USA und war Vorsitzender des Beirats der European Futurists Conference. Dr. Mićić begeistert mit faszinierenden Szenarien konkreten Strategien und Methoden und macht sie dabei leicht verständlich und nützlich. Mit über 1.700 Vorträgen auf vier Kontinenten ist er ein weltweit gefragter Referent.