Von Ilja Grzeskowitz
Was genau sind eigentlich Solopreneure – und wie unterscheiden sie sich von Freelancern, Unternehmern oder Selbstständigen?
Um den Begriff zu definieren, schauen wir uns einmal die wichtigsten Eigenschaften eines Solopreneurs an.
Eigenschaft 1: Eine Solopreneurin bricht bewusst die klassischen Businessregeln
Solopreneure sind die Rebellen der klassischen Businesswelt. Sie brechen mit bestehenden Regeln und erschaffen sich ihre eigenen. Dies tun sie insbesondere, indem sie sich bewusst gegen eine Unternehmensstruktur typischer Firmen und Start-ups entscheiden. Sie brauchen weder ein großes Büro noch Hunderte von Mitarbeitern, keinen Fuhrpark, keine Maschinen und vor allem keine Verwaltung. Wenn klassische Unternehmen wie große Öltanker sind, dann wählt ein Solopreneur bewusst ein hochmotorisiertes, wendiges und ultramodernes Rennboot als Alternative. In der Praxis bedeutet das schlanke Strukturen, digitale und automatisierte Prozesse und in der Regel den Verzicht auf einen festen Unternehmensstandort.
Eigenschaft 2: Eine Solopreneurin ist allein verantwortlich, arbeitet aber im Team
Obwohl das Wort „Solo“ etwas gänzlich anderes vermuten ließe, bedeutet es nicht, dass ein Solopreneur einer der typischen Einzelkämpfer ist. Das Gegenteil ist oft der Fall. Denn obwohl sie sich aufgrund der bewussten Wahl für eine schlanke Unternehmensstruktur dagegen entscheiden, feste Mitarbeiter einzustellen, haben sie oft ein Team (in Form von virtuellen Assistenten, Freelancern und Dienstleistern), an das sie alle Aufgaben delegieren, die nicht zur eigenen Kernkompetenz gehören. Solopreneure sind daher in der Regel Generalisten, die im Zuge der Entwicklung ihrer Unternehmensstrategie ihre eigene Rolle definiert haben. Das Ziel dahinter ist, möglichst viel Zeit für die Arbeit AM Unternehmen und die Tätigkeiten zu haben, die man am liebsten tun möchte. Alles andere wird an Spezialisten delegiert oder per Software automatisiert.
Der Erfolg des Unternehmens hängt also direkt an der Persönlichkeit des Solopreneurs und der Qualität der Dienstleister und Partner. Damit dies effizient und effektiv gelingen kann, ist der nächste Punkt von entscheidender Bedeutung.
Eigenschaft 3: Eine Solopreneurin digitalisiert und automatisiert fast alles
Haben Sie schon einmal von den berühmten digitalen Nomaden gehört, die mit dem Laptop um die Welt jetten, in traumhaften Locations ihr mobiles Office betreiben und sich am passiven Einkommen erfreuen, dessen Eingang sich regelmäßig durch ein wohlklingendes Bingbing auf dem Smartphone erkennen lässt? Ich gebe zu, diese Vorstellung klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Und in der Tat träumen viele angehende Solopreneure davon, mit dem Laptop auf dem Schoß unter einer Palme in der Karibik einen Cocktail zu schlürfen, während das passive Einkommen im Minutentakt hereinkommt. Und auch wenn das durchaus möglich ist, sind die Geschäftsmodelle der meisten Solopreneure wesentlich solider, ja fast schon unsexy. Dafür haben sie alle etwas gemeinsam: Der Erfolg ihres Unternehmens basiert nicht auf Zufall, sondern auf einer ganz klaren Strategie. Nur wenn man weiß, welche Prozesse, Aufgaben und Tätigkeiten immer wieder auf die gleiche Art und Weise anfallen, kann man beginnen, diese zu standardisieren, und an das (virtuelle) Team delegieren. Die Grundlage hierfür ist das sogenannte Paperless-Office, also eine digitale Infrastruktur, die auf einem über Apps, Programme und Software gesteuerten System basiert, welches automatisiert und unabhängig von den beteiligten Personen funktioniert. Das Ziel dabei ist einfach: Zeit für die Aufgaben und Tätigkeiten zu haben, die man am liebsten den ganzen Tag tun möchte. Und je besser man die eigene Unternehmensstruktur definiert hat, desto einfacher und schneller gelingt es.
Eigenschaft 4: Eine Solopreneurin transformiert ihre Expertise in eigene Produkte und Dienstleistungen
Ein weiterer Unterschied zum Freelancer ist, dass Solopreneure selten Zeit gegen Geld eintauschen. Was meine ich damit? Nehmen wir als Beispiel einen Webdesigner. Wenn dieser ein Projekt für einen Kunden annimmt, dann benötigt er dafür eine gewisse Anzahl an Stunden, für die er seine Dienstleistung in Rechnung stellt. Er verdient also nur dann Geld, wenn er körperlich anwesend ist oder die Tätigkeit selbst durchführt. Das bedeutet übrigens nicht, dass Solopreneure nicht auch ab und zu Zeit gegen Geld eintauschen, sie tun dies aber sehr bewusst und aus freier Entscheidung. Ich liebe beispielsweise meine Tätigkeiten als Keynote Speaker und Vortragsredner genauso wie meine Solopreneur-Coachings und das Schreiben meiner Bücher. Und ich habe mir meine Unternehmensstruktur so eingerichtet, dass ich für diese Dinge möglichst viel Zeit habe. Der Freiberufler ist von Aufträgen externer Kunden abhängig, die auf einem bestimmten Skill oder einer speziellen Fähigkeit basieren, etwa programmieren, Videos schneiden oder eine Buchhaltung durchzuführen. Die Solopreneurin hingegen ist primär damit beschäftigt, ein Unternehmen aufzubauen, und entwickelt daher auf der Basis der eigenen Expertise Produkte, Dienstleistungen, Marken oder Prozesse, welche die Basis des Geschäftsmodells bilden und off- sowie online vertrieben werden. Dies können Onlinekurse genauso sein wie Beratungsdienstleistungen, Coachings, Apps, Software oder digital aufbereitete Lösungen für die brennenden Probleme der Zielgruppe.
Eigenschaft 5: Eine Solopreneurin ist in der Lage, ihr Businessmodell zu skalieren
Aufgrund der standardisierten, digitalisierten und automatisierten Prozesse sind Solopreneure in der Lage, ihr Geschäftsmodell zu skalieren. Dieser durch die TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“ sehr bekannt gewordene Begriff bedeutet nichts anderes, als dass es möglich ist, den Umsatz oder den Gewinn signifikant steigern zu können, ohne dass dafür entsprechende Investitionen in Personal, Infrastruktur oder Geschäftsausstattung getätigt werden müssten. Der größte Hebel hierfür liegt in der bereits angesprochenen Entscheidung, nicht Zeit gegen Geld zu tauschen, sondern eigene Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die dann digital und automatisiert vertrieben werden.
Eigenschaft 6: Eine Solopreneurin ist profitabel
Zum Abschluss möchte ich den vielleicht wichtigsten Punkt ansprechen. Denn nur weil sich Solopreneure für eine schlanke und flexible Unternehmensstruktur entschieden haben, bedeutet das nicht, dass ihre Unternehmen automatisch klein sind. Denn aufgrund des fehlenden Verwaltungswasserkopfes, eines festen Mitarbeiterstammes und der digitalen Infrastruktur sind die Prozesse sehr effektiv und kostenschonend, was dazu führt, dass man mit großer Freude am Ende eines Geschäftsjahres auf den eigenen Kontostand blicken darf. Ihre Wettbewerber in der gleichen Branche mögen ein Vielfaches des Umsatzes generieren, aber nach Abzug von Löhnen und Gehältern, Miete und allen anderen Fixkosten bleibt bei ihnen am Ende oft nicht besonders viel übrig. Bei Solopreneuren ist das nicht der Fall. Sie arbeiten nicht nur selbstbestimmt und ortsunabhängig, sondern sind in der Regel auch sehr profitabel.
Fazit:
- Eine Solopreneurin ist selbstständig.
- Eine Solopreneurin bricht bewusst mit den Regeln des klassischen Business.
- Eine Solopreneurin ist allein verantwortlich, arbeitet aber in der Regel mit einem (virtuellen) Team zusammen.
- Eine Solopreneurin tauscht nur Zeit gegen Geld, wenn sie sich dafür bewusst entscheidet.
- Eine Solopreneurin hat ihr Unternehmen so strukturiert, dass sie in der Lage ist, Produkte und Dienstleistungen zu skalieren.
- Eine Solopreneurin arbeitet digital und bietet auch ihr Angebot entsprechend an.
- Eine Solopreneurin ist dank schlanker Strukturen und Prozesse sowohl flexibel als auch profitabel.
Über den Autor
Ilja Grzeskowitz (gesprochen Gresch -ko -witz) ist Wirtschaftswissenschaftler, Autor und globaler Keynote Speaker für Veränderung, Innovation und Transformation. Als jüngster Geschäftsführer Deutschlands bei Karstadt und IKEA war er für insgesamt zehn Standorte in ganz Deutschland verantwortlich, ehe er im Jahr 2009 sein eigenes Beratungsunternehmen gründete. Der Gründer des Solopreneur Clubs und Keynote Speaker war Lehrbeauftragter an der Berlin School of Law and Economics und hat als Autor bereits elf Bücher veröffentlicht (darunter die Bestseller Attitüde, Mach es einfach und Radikal Menschlich). Von seinen Kunden liebevoll „Mr. Change“ genannt, inspiriert er Menschen, die richtige Motivation zur Veränderung zu entwickeln und treibt als Trendscout die Themen Innovation, Transformation und Zukunft voran. Seine große Mission ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, in disruptiven Märkten eine Kultur der Veränderung zu etablieren, die von starken Werten, Diversity und Sinn geprägt ist.
Als global gefragter Konferenzredner hat Ilja bereits auf fünf Kontinenten gesprochen und gilt als „Deutschlands erfolgreichster Experte für Veränderungsprozesse“ (OÖ Nachrichten). Zu seinen Kunden gehören große Marken wie Accor, Allianz, Audi, Bayer, BASF, BMW, Cancom, Capri Sun, Continental, Daimler, DPD, Emerson, Lufthansa, Nespresso, Marriott, Puma, RWE, Ritter Sport, Roche, SAP, Schiesser, Swiss, Telekom, T-Mobile, Unitymedia oder Zalando genau so wie traditionsreiche mittelständische Unternehmen. Ilja ist nordisch by nature und lebt mit seiner Familie seit vielen Jahren in seiner Wahlheimat Berlin. Wenn er nicht gerade auf einer Bühne rund um den Globus steht, dann spielt er leidenschaftlich gerne Golf, drückt dem HSV die Daumen oder genießt sein Lieblingsgetränk Kaffee (viel und immer schwarz).