Ob täglicher Nachrichtenfluss oder Social Media – wir alle sind einer ständigen Reizüberflutung ausgesetzt. Mitfühlen? Fehlanzeige. Wir müssen erst einmal wieder lernen, innezuhalten und uns für magische Momente zu öffnen.
Wie können wir innehalten?
Um innehalten zu können, sollten wir uns selbst dabei unterbrechen, allen möglichen Reizen dieser Welt nachzugehen. Um sich bewusst zu unterbrechen, können folgende Handlungen helfen:
- den Ort im Raum wechseln
- ein Gummiarmband von der einen auf die andere Armseite platzieren
- die Atmung beobachten: Wohin atme ich gerade?
- drei tiefe Atemzüge nehmen
- der eigenen Stimmlage und Sprechweise zuhören: Spreche ich entspannt? Panisch? Nachlässig?
- laut Musik hören
- den Körper bewegen und aktivieren
- Spannungen im Körper wahrnehmen
- genau hinschauen: Was sehe ich?
- Riechen: Welche Gerüche sind im Raum?
Das Ziel des Innehaltens ist es, wieder im Hier und Jetzt zu landen. Dafür kann ich mir viele Tricks überlegen. Thich Nhat Hanh, Meditationslehrer, Zen-Meister, Dichter und Vertreter eines engagierten Buddhismus, empfiehlt in seinem Buch »Achtsam sprechen, achtsam zuhören« bewusstes Gehen und bewusstes Atmen als Grundvoraussetzung für eine wertschätzende Kommunikation.
Darüber hinaus schlägt er vor, eine Computerglocke zu aktivieren, die uns daran erinnert, innezuhalten und zu uns selbst zurückzukehren. In diesem Moment genügt es, dreimal ein- und auszuatmen und zu lächeln. Dieser kleine Einschnitt lässt uns wieder bei uns ankommen. Auch hier können wir uns eigene Varianten ausdenken: Jedes Mal, wenn das Telefon klingelt, richte ich mich auf und atme tief ein und aus. Jedes Mal, wenn ich durch eine bestimmte Tür gehe, bleibe ich stehen und schließe meine Augen. Jedes Mal, wenn ich mich beim Kopfkino ertappe, mache ich einen Kopfstand.
Empathie-Impulse
AFFIRMATION: Stille beruhigt meinen Geist und lässt mich innerlich aufatmen.
- Innezuhalten ist ein großer Gewinn im täglichen Leben.
- Empathie braucht diesen Moment, um wachsen zu können.
- Der Körper verhilft uns zu neuer Gegenwärtigkeit.
- Achten Sie auf Ihre Atmung und unterbrechen Sie Handlungen und Gedanken.
Der magische Moment
Das Wunderbare am Innehalten ist, dass wir jetzt die Möglichkeit haben, genauer hinzuschauen. Wir drücken auf »Pause«. Nun können wir unsere innere Haltung überprüfen und selbst kurz zum wertfreien Beobachter, zum inneren Schiedsrichter werden. Wir können unserer inneren Stimme zuhören und bekommen hier oft die besten Antworten. Das gelingt aber eben nur, wenn wir uns unterbrechen, innehalten und hinfühlen und hinschauen.
Der österreichische Neurologe und Psychiater Viktor E. Frankl sagte einst sinngemäß, dass die Freiheit des Menschen in der Zeit zwischen Reiz und Reaktion liege. Der Sufi-Dichter Rumi drückte es so aus:
»Zwischen richtig und falsch gibt es einen Ort. Dort werden wir uns begegnen.«
An diesem Ort der Begegnung wird es möglich, dass wir von unserer inneren Landkarte Abstand nehmen und bereit sind, Dinge anders zu betrachten und Gedanken und Gefühlen anderer den Raum zu geben, den es braucht, um sich wirklich zu verstehen. Dieser Moment ist magisch und eröffnet Welten. Diese Art zu denken, oder vielmehr: zu sein, erfordert eine große Offenheit, Kreativität und Durchlässigkeit. Dabei müssen wir es nicht nur wagen, unser eigenes Welt- und Menschenbild zur Disposition zu stellen und uns von den Gedanken anderer berühren zu lassen, sondern wir müssen auch Vertrauen dahingehend aufbauen, dass der andere Mensch uns nichts tut. Wir müssen es also aushalten, verletzlich zu sein.
Noch magischer wird es dann, wenn Menschen auf diese Haltung reagieren. Wenn sie ihrerseits weich werden, ihre Widerstände fallen lassen und uns unbewaffnet ganz frei in die Augen schauen. Jetzt wird echte Begegnung möglich.
Solche Momente entstehen zum Beispiel nach einem intensiven Streit. Sie geschehen, wenn wir uns abgekämpft und abgemüht haben. Wenn wir mit unserem Kopf schon gegen sämtliche Grenzen gestoßen sind. Wenn wir verletzt und gedemütigt haben. Dieses Prozedere kann man erheblich abkürzen:
Wenn wir nicht länger in einer Verteidigungshaltung verharren, ist der Weg frei, um empathisch zu sein.
Dies ist also der Moment, in dem wir den negativen Emotionen den Rücken zuwenden. Es ist der Moment, in dem wir alles abstreifen und uns verwundbar machen, in dem wir einfach Mensch sein dürfen, in dem wir unsere Seele offenbaren und den anderen einladen, sich darin umzusehen. Dieser Zustand der Offenheit macht es möglich, dass wir uns für die Meinung des anderen interessieren und endlich dazu kommen, nachzufragen, hinzuhören, zu verstehen. Manch einer legt dieses Weichwerden in der heutigen, sehr ergebnisorientierten Welt als Schwäche aus. Das ist ein Missverständnis: Sich einem anderen Menschen und seinen Ideen wirklich zu öffnen, ist in Wirklichkeit eine große Stärke. Es bedeutet, dass wir nicht an unseren Gedanken und Ideen, wie das Leben ist, festkleben, sondern dass wir uns erlauben, mit und an dem anderen zu wachsen. Wir können jetzt auch zulassen, dass unsere Werte hinterfragt werden, von uns und / oder von anderen.
Innehalten, offen werden, verstehen. Gefühle und Gedanken einordnen. Genau jetzt wird Empathie möglich. Wir lassen uns berühren.
Empathie-Impulse
AFFIRMATION: Ich bin bereit dafür, von gedanklichen Mustern und Automatismen abzuweichen.
- Schaffen Sie sich so viele magische Momente wie möglich.
- Erkennen Sie Muster, mit denen Sie reagieren: Verurteilende, beleidigte Gedanken bringen uns nicht weiter.
- Rechthaberei ist das Gegenteil von Empathie.
- Thero sagt: »Wo Ärger ist, da ist keine Liebe.«
- »Richtig« und »falsch« sind keine guten Ratgeber.
Bildquelle: fizkes / istockphoto
Über die Autorin
Dr. Monika Hein arbeitet als Coach und Trainerin für Stimme, Sprechen und empathische Kommunikation. Ihre Ausbildung im Bereich Musical, ihr Studium der Phonetik und Pädagogik, ihre Promotion in Phonetik und die Weiterbildungen zum Business Coach, Business Trainerin und Heilpraktikerin Psychotherapie prägten ihre Expertise. Sie ist außerdem als Rednerin auf diversen Bühnen zu sehen, um Menschen zu einer empathischen Kommunikation, zu Selbstempathie und zu schönen Tönen zu inspirieren.