Management, Führung

So verhin­derst du die Insolvenz deines Unter­neh­mens

von Stefan Merath

In meiner Rolle als Unternehmercoach sind mir europaweitere Marktführer begegnet, die finanziell am Ende waren. Eine einzige Friseurin am Ort, die nicht mehr wusste, wie sie ihre Mitarbeiter bezahlen sollte. Und viele Unternehmer, die Insolvenz anmelden mussten, noch bevor ihr Produkt marktreif war. All diese Unternehmer waren richtig gut darin, was ihre Strategie und Alleinstellung anging. Doch sie scheiterten, weil sie sich weigerten, ihre Finanzen in den Griff zu bekommen.

Mir ging es am Anfang auch nicht anders: Mein erstes Unternehmen endete in der Insolvenz. Als einzelselbstständiger Programmierer verdiente ich damals einen üppigen Stundensatz. Weil ich mehr als ausgelastet war begann ich damals damit, Mitarbeiter einzustellen: Einen Vertriebler, einen System-Administrator, … Diese Mitarbeiter produzierten am Anfang wenige Ergebnisse, kosteten mich jedoch unmittelbar eine Stange Geld. Und da die Arbeit jetzt komplexer war, konzentrierte ich mich mehr und mehr aufs Projektmanagement, anstatt weiter Geld mit Programmieren reinzuholen.

Schon bald fing ich an meinen Investoren regelmäßig ein neues Märchen (Planzahlen) zu erzählen, die Bezahlung von Rechnungen aufzuschieben und auch meine Mitarbeiter erhielten ihr Gehalt immer öfter erst mit Verzögerung. Schließlich endete das Ganze mit dem Insolvenzantrag.

Die wichtigste Kennzahl für das Überleben deines Unternehmens

Mal angenommen, dein Unternehmen hätte ab sofort keine Einnahmen mehr – z.B. weil deine Kunden pleite sind oder irgendeine Form von Krise auftritt. Während keine Kohle mehr reinkommt, musst du jedoch weiterhin deine Rechnungen und Mitarbeiter bezahlen. Wie lange würde es dauern, bis dein Unternehmen zahlungsunfähig wäre? Die Antwort auf diese Frage ist deine finanzielle Reichweite.

Die finanzielle Reichweite

Die finanzielle Reichweite ist ein Gradmesser für deine Freiheit als Unternehmer. Je geringer dieser Wert ist, umso mehr bist du abhängig von Investoren, Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten. Du hast in vielen Situationen schlicht keinen Handlungsspielraum.

Nicht wenige Unternehmer haben aufgrund von finanziellen Sorgen schlaflose Nächte. Nicht zu Unrecht, schließlich riskieren sie ihr Unternehmen. Denn wenn du einmal in eine solche Situation kommst, kannst du nicht einfach alle Kosten abschneiden: Wie lang läuft dein Gewerbemietvertrag? Wie hoch ist die Kündigungsfrist deiner Mitarbeiter? Wenn deine finanzielle Reichweite gleich lang oder kürzer ist als diese Zeiträume, gehst du in einer Krisensituation sehenden Auges auf die Insolvenz zu.

Kennzahlen Insolvenz verhindern

Als ich mit meinem Unternehmen Nr. 2 an den Start ging, beschäftigte ich mich systematisch mit meinen Unternehmensfinanzen und setzte mir klare Standards: die Gehälter durften 40% des Rohertrags nicht übersteigen, ein Gewinn von 20% des Rohertrags wird von Anfang an eingeplant.

Am wichtigsten jedoch: Meine finanzielle Reichweite muss zu jedem Zeitpunkt mind. 6 Monate betragen. Es ist mittlerweile gut 15 Jahre her, dass ich das letzte Mal wegen meiner Finanzen schlecht geschlafen habe (trotz Finanzkrise, Corona und ein paar eigenen Fehlern).

Dein Pricing ist überlebenswichtig!

Ich begegne immer wieder Unternehmern, die mir nicht sagen können, wie es um die Wirtschaftlichkeit ihrer Produkte und Kunden steht. Ein Beispiel: Ein Unternehmer aus dem Bereich der Personalvermittlung verlangte von seinen Kunden 10% mehr als er seinen vermittelten Mitarbeitern bezahlte. Er war davon überzeugt, damit Geld zu verdienen. Wie sollte das gehen? Von den 10% Mitarbeiter finden, auswählen, Kunden gewinnen, Büro, sich selbst und interne Mitarbeiter bezahlen? Es gibt eine ziemlich simple Regel was das Pricing angeht: Wenn ich so arbeite wie der Wettbewerb und trotzdem deutlich niedrigere Preise habe, dann habe ich einen Fehler in meiner Kostenrechnung.

Mir sind schon viele Marktführer begegnet, die meinten Preiserhöhungen seien nicht durchsetzbar. Handwerker, die sich nicht trauten, ihre Preise zu erhöhen, obwohl sie über viele Monate in die Zukunft bereits ausgebucht waren. Dann aber darüber jammerten, dass ihre Mitarbeiter zum Wettbewerber wechselten, weil dieser bessere Gehälter bezahlt.

Der Kunde wird nicht bereit sein, höhere Preise zu bezahlen? Wenn das so ist, was ist die Alternative? Aufgeben? Tatsache ist, dass es im Interesse deiner Kunden ist, für eine Leistung gut zu bezahlen. Schließlich wollen sie die Leistung ja morgen auch noch erhalten. Das geht aber nicht, wenn du pleite bist. Du hast deine Preise vor drei Jahren marktgerecht festgelegt? Dann haben sich deine Kunden in den letzten 36 Monaten über eine 6%-ige Preissenkung freuen können. Denn das ist die Inflationsrate. Preise gehören jährlich
überprüft und regelmäßig angepasst, auch in Hinblick auf Trends, Branchenentwicklungen (z.B. Mitarbeitermangel).

3 Tipps, um die Insolvenz zu verhindern

  1. Eine hohe Auslastung ist praktisch immer eine Lizenz, um die Preise zu erhöhen.
  2. Schaue dir gelegentlich die Preisstrukturen deiner Wettbewerber an. Welche Umsätze machen sie pro Kunde im Schnitt?
  3. Wie kannst du dein Angebot auf der Nutzenseite verbessern, so dass noch mehr Raum für Preiserhöhungen entsteht? Wie kannst du einen noch größeren Nutzen bieten?

Benchmarks: So hoch sollten deine Kosten maximal sein

Ein Unternehmer kann von sich nicht behaupten, frei und selbstbestimmt zu sein, wenn er seine Kostenstrukturen als unveränderbar ansieht. Durch meine Arbeit mit Unternehmern habe ich schon viele finanziell gesunde und auch viele finanziell ungesunde Unternehmen gesehen. Aus dieser Erfahrung halte ich ein Unternehmen für finanziell gesund, wenn es folgende Kostenstruktur hat.


Umsatz – Fremdleistung = Rohertrag (100%), davon

20% Gewinn (nach Steuern)

8,5% Gewinnsteuer (entspricht 30%)

15% Unternehmergehalt

= 56,5% für restliche Kosten, davon

40% für Löhne / Gehälter und

16,5% sonstige Kosten

Den Gewinn brauchst du, um die Existenz deines Unternehmens zu sichern (finanzielle Reichweite aufzubauen) und zum Wachsen. Mit dem Unternehmergehalt baust du deine persönliche finanzielle Unabhängigkeit auf und machst dich dadurch unabhängig von deinen Unternehmensfinanzen.

Wie sehen deine Kosten aus? Liegt der Kostenanteil bereits unter 56,5% vom Rohertrag? Wenn ja, wird dein Unternehmen vermutlich finanziell gesund sein. Wenn nicht, solltest du ins Handeln kommen. Falls du hierfür konkrete Ansatzpunkte suchst, empfehle ich dir mein kostenloses E-Booklet Wie du innerhalb weniger Monate deine unternehmerischen Finanzen in den Griff bekommst. Dauerhaft!

Stefan Merath

Stefan Merath ist seit 27 Jahren Unternehmer und seit 20 Jahren Unternehmercoach. Er trägt den Schwarzen Gürtel in Thai Ki San. Er ist Autor der Bestseller „Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer“, „Die Kunst, seine Kunden zu lieben“ und „Dein Wille geschehe. Führung für Unternehmer“. Seine Bücher und Trainings prägten Hunderttausende UnternehmerInnen im deutschsprachigen Raum. Er schuf eine einzigartige Community, in der sich UnternehmerInnen gegenseitig unterstützen, entwickeln und bereichern.