Training, Coaching, Beratung

KI in der Team­ent­wick­lung

Neue Chancen für Trainer:innen, Coaches und Berater:innen

Dr. Anne Wilmers
Dr. Anne Wilmers / ©Seehstern

Dr. Anne Wilmers ist Expertin für Führungskräftecoachings, Teamentwicklung und Konfliktmanagement. In ihrem Beitrag für das Buch Trainerkarriere 2.0 (GABAL Verlag) zeigt sie praxisnah, wie Künstliche Intelligenz (KI) in der Teamentwicklung eingesetzt werden kann. Im Gespräch erläutert sie, warum das Thema für Trainer:innen, Coaches und Prozessbegleiter:innen so relevant ist, wo Chancen und Grenzen liegen – und warum am Ende immer der Mensch den Unterschied macht.

GABAL-Magazin: Frau Dr. Wilmers, Ihr Beitrag im Buch "Trainerkarriere 2.0" behandelt die Kombination von KI und Teamentwicklung. Warum ist dieses Thema gerade jetzt so wichtig?

Dr. Anne Wilmers: Wir erleben gerade eine Zeit, in der sich die Rahmenbedingungen für Zusammenarbeit massiv verändern. Führungskräfte und Teams sind permanent gefordert: Fachkräftemangel, Digitalisierung, Umstrukturierungen – all das erzeugt Druck. Trainer:innen und Coaches brauchen Werkzeuge, die helfen, schneller und gezielter Klarheit zu schaffen. KI eröffnet hier neue Chancen: Sie kann uns helfen, Konfliktmuster frühzeitig zu erkennen, Rollen transparenter zu machen und Themen sichtbar zu machen, die sonst im Verborgenen bleiben. Für mich ist das ein echter Paradigmenwechsel in der Teamentwicklung.

GABAL-Magazin: Sie sprechen von einem Paradigmenwechsel. Was meinen Sie damit genau?

Dr. Anne Wilmers: Klassische Teamentwicklung arbeitet oft retrospektiv – wir führen Gespräche, sammeln Eindrücke, werten vielleicht Interviews oder Fragebögen aus. KI kann diesen Prozess enorm beschleunigen und gleichzeitig präzisieren. Statt wochenlanger Analysen liefert sie uns innerhalb kürzester Zeit Hypothesen, Muster und Visualisierungen. Das bedeutet aber nicht, dass die KI die Arbeit übernimmt. Im Gegenteil: Wir müssen mehr denn je als Übersetzer:innen wirken – zwischen Daten und Menschen, zwischen Analysen und gelebter Realität. Das ist für mich der Kern: KI verändert nicht das Ziel, aber den Weg dorthin.

GABAL-Magazin: Viele fürchten, dass KI den Menschen ersetzen könnte. Wie begegnen Sie dieser Sorge?

Dr. Anne Wilmers: Diese Sorge ist verständlich – und gleichzeitig unbegründet. KI kann keine Atmosphäre im Raum spüren, sie kann nicht nonverbale Signale deuten und keine vertrauensvollen Beziehungen aufbauen. Was sie kann: Muster verdichten, Beziehungen zwischen Daten sichtbar machen und uns mit strukturierten Vorschlägen unterstützen. Aber ob aus diesen Daten echte Entwicklung wird, hängt einzig und allein davon ab, wie wir Trainer:innen, Coaches oder Berater:innen damit umgehen. Die menschliche Kompetenz bleibt zentral. Ohne Empathie, Kontextverständnis und Prozesskompetenz bleiben die besten KI-Ergebnisse wirkungslos.

GABAL-Magazin: Können Sie ein praktisches Beispiel schildern, wie Sie KI einsetzen?

Dr. Anne Wilmers: Sehr gern. Ich habe kürzlich mit einem Leitungsteam gearbeitet, das sich in zwei Lager gespalten hatte. Es gab kaum noch offene Kommunikation, Entscheidungen wurden nicht mehr gemeinsam getroffen. Früher hätte ich viele Stunden in Interviews und händische Auswertungen gesteckt. Heute kombiniere ich klassische Einzelgespräche mit einem KI-gestützten Kompetenznetz. Die KI clustert Antworten, macht Konfliktfelder sichtbar und zeigt Hypothesen auf. Dadurch kann ich im Team-Workshop sofort in die relevanten Themen einsteigen – etwa fehlende Feedbackkultur oder unklare Rollen. Das spart nicht nur Zeit, sondern erhöht auch die Akzeptanz, weil die Ergebnisse sehr transparent sind.

GABAL-Magazin: Was verändert sich dadurch für die Teams?

Dr. Anne Wilmers: Die Teams erleben, dass ihre Rückmeldungen ernst genommen werden – und dass Ergebnisse schwarz auf weiß sichtbar sind. Das schafft eine andere Gesprächsbasis. Anstatt sich über subjektive Wahrnehmungen zu streiten, schauen wir gemeinsam auf visualisierte Daten. Das entemotionalisiert vieles und öffnet den Raum für konstruktive Lösungen. Zugleich wird deutlich: Die KI zeigt nur Muster. Was daraus gemacht wird, entscheiden die Menschen im Raum.

GABAL-Magazin: Welche Chancen sehen Sie für Trainer:innen und Coaches, die anfangen wollen, KI einzusetzen?

Dr. Anne Wilmers: Die größte Chance liegt darin, KI als Sparringpartner im Hintergrund zu nutzen. Ich kann z. B. Prompts formulieren, die mir helfen, einen Workshopplan zu erstellen, Fragen für Interviews zu generieren oder Visualisierungen zu bauen. Das nimmt mir Routinearbeit ab und schafft Freiraum für das, was wirklich zählt: die Interaktion mit den Teilnehmenden. Und ich sage auch klar: Man muss kein Technikfreak sein, um zu starten. Kleine Experimente mit der neuen Technik genügen zum Ausprobieren. Schritt für Schritt wächst dann die Sicherheit.

GABAL-Magazin: Gibt es Grenzen, die Trainer:innen beachten sollten?

Dr. Anne Wilmers: Ja, unbedingt. Eine Grenze liegt darin, die KI nicht unreflektiert als „Wahrheit“ zu nehmen. Sie liefert Daten und Hypothesen, keine endgültigen Antworten. Die Verantwortung liegt bei uns, die Ergebnisse zu prüfen, in den Kontext zu stellen und mit den Menschen abzugleichen. Eine zweite Grenze ist der Datenschutz: Wir müssen sorgsam mit Daten umgehen, anonymisieren und transparent machen, wie wir KI nutzen. Das gehört für mich zu einer professionellen Haltung.

GABAL-Magazin: Was ist Ihr wichtigster Tipp für Kolleg:innen, die den Einstieg suchen?

Dr. Anne Wilmers: Wenn Sie als Trainer:in, Coach oder Berater:in den Einstieg suchen, dann gehen Sie Schritt für Schritt vor: kleine Versuche, die Mut machen und Sicherheit geben. Entwickeln Sie zum Beispiel ein Fragen-Set für die Auftragsklärung, visualisieren Sie einen Workshop oder werten Sie ein Interview mit Unterstützung der KI aus. Dafür brauchen Sie keine großen Vorkenntnisse – entscheidend ist, ins Tun zu kommen und danach bewusst zu reflektieren: Was hat mir Arbeit erleichtert? Wo habe ich neue Perspektiven gewonnen? Welche Grenzen habe ich gespürt?

Mit jedem kleinen Schritt wächst Ihr Vertrauen im Umgang mit KI. Suchen Sie außerdem den Austausch mit Kolleg:innen. In unserer BDVT-Fachgruppe KI erlebe ich immer wieder, wie hilfreich es ist, Erfahrungen weiterzugeben – gerade auch, wenn etwas nicht sofort gelingt. Das nimmt die Scheu, macht neugierig und schafft Lust, gemeinsam neue Wege in der Teamentwicklung zu gehen.

GABAL-Magazin: Ihr Fazit zum Zusammenspiel von Mensch und KI?

Dr. Anne Wilmers: Teamentwicklung beginnt nie mit Technik. Sie beginnt immer mit Menschen – mit Klarheit, Präsenz und der Haltung, zuzuhören und ins Gespräch zu gehen. KI kann uns dabei unterstützen: Sie bringt Tempo in die Analyse, macht Muster sichtbar und hilft, komplexe Daten zu strukturieren.

Doch die eigentliche Wirkung entsteht erst dann, wenn wir als Trainer:innen, Coaches oder Berater:innen diese Ergebnisse gemeinsam mit dem Team übersetzen – in Dialog, Reflexion und konkrete Vereinbarungen. Genau hier entfaltet sich Entwicklung: wenn aus Daten echte Gespräche werden, die Vertrauen schaffen und Zusammenarbeit stärken.

Für mich ist KI deshalb kein Ersatz, sondern ein Verstärker. Sie nimmt uns Routinearbeit ab und gibt uns schneller einen Überblick. Aber das, was Menschen bewegt und verbindet – Empathie, Resonanz und die Fähigkeit, schwierige Themen konstruktiv zu begleiten – ist und bleibt unersetzbar.

Über die Autorin

Dr. Anne Wilmers ist ausgebildete und zertifizierte Trainerin, Coach und Teamentwicklerin mit über 20 Jahren Erfahrung in der Arbeit mit Führungskräften und Teams. 
Ihr Institut in Freiburg bietet ein breites Spektrum – von Führungskräfte- und Kommunikationstrainings über Coaching bis hin zu Teamentwicklungen, Prozessbegleitungen und strategischer Beratung.

Ein Schwerpunkt liegt auf Konfliktmanagement und der Entwicklung wirksamer Zusammenarbeit – gerade in anspruchsvollen Veränderungsprozessen. Mit ihrer Expertise in agilen Methoden, digitaler Führung und KI-gestützter Teamentwicklung wurde sie als „KI Innovator“ ausgezeichnet.

Als Lehrbeauftragte an den Universitäten Freiburg und Konstanz verbindet sie wissenschaftliche Tiefe mit praxisnaher Anwendung. Ihre Arbeit steht für höchste Standards und nachhaltige Ergebnisse – ausgezeichnet u. a. mit den Siegeln „TOP SERVICE“ und „Qualität-Transparenz-Integrität“.

Weitere Informationen: www.wilmers-kommunikation.de

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