Persönliche Entwicklung, Karriere, Finanzen

Leise: nicht nur der Schnee! Weih­nachten für Intro­ver­tierte

von Sylvia Löhken

♫ ♬ It’s the season to be jolly...  ♫ ♬

Ehrlich gesagt: In meinem Fall bedeutet das, die Wahrheit ein wenig zu dehnen. Der erste Grund dafür ist, dass wir Deutschen eher nicht zum jolly neigen. Dafür machen wir uns vor Weihnachten typischerweise verrückt. Insgeheim glauben wir vielleicht, dass es nie wieder eine Gelegenheit zum Arbeiten gibt, wenn wir uns erst einmal erschöpft unter den schützenden Weihnachtsbaum gerettet haben. Entsprechend fällt das typische Arbeitspensum im Dezember aus, und jedes Jahr versuche ich zu entkommen. Auch das ist harte Arbeit!

Der zweite Grund für meine vorweihnachtliche Freudlosigkeit: Weihnachtsfeiern.

Ich bin introvertiert, und die Aussicht auf lange Abende außerhalb unseres Hauses (wo mich heißer Tee und Bücher erwarten würden) ist, vorsichtig gesagt, wenig überzeugend.

Aber: Es gibt so etwas wie artgerechtes Feiern! Gern teile ich meine Sammlung von Überlebenstechniken für Introvertierte mit Ihnen. Und seien wir doch mal ehrlich: Introvertiert oder nicht, wir mögen es auch nicht, wenn man uns nicht einlädt und nicht dabeihaben will. Wir mögen Menschen schließlich auch!

Lassen Sie uns also das Beste aus dieser Jahreszeit machen und introvertierte Strategien anwenden, um das Jahresende mit Erfahrungen zu füllen, an die wir gern zurückdenken – und die uns Energie geben, anstatt sie uns abzuzapfen.

Problem 1:

Sie sind müde (siehe oben: Arbeitspensum) und haben keine Lust, an einer Veranstaltung teilzunehmen.

Strategie: Nutzen Sie diese Zeit als eine kluge Investition.

Ob im Büro, mit Freunden oder im Kreise der Familie: Eine Weihnachtsfeier ist eine hervorragende Gelegenheit, all die Menschen zu treffen, mit denen Sie sich eigentlich treffen sollten, mit denen Sie aber nicht wirklich viel Zeit verbringen wollen. Treffen Sie sie an den Festtagen, und Sie haben sie alle zusammen: Kati aus dem Marketing, Ihre ehemalige Mitbewohnerin oder Onkel Paul, der seltsame Bruder Ihrer Mutter,.

Eine weitere Möglichkeit, von dem jährlichen Event zu profitieren, besteht darin, sich im Voraus zu fragen: Gibt es jemanden, der mit Sicherheit teilnehmen wird und den Sie unbedingt kennen lernen möchten? Aktivieren Sie dazu einfach die introvertierte Superkraft der sorgfältigen Vorbereitung. Schreiben Sie vorab eine E-Mail. Bitten Sie einen gemeinsamen Bekannten, Sie vorzustellen. Vereinbaren Sie eine Begegnung im Verlauf der Feier. Bereiten Sie die Dinge vor, über die Sie sprechen wollen. Sollten Sie den gewünschten Kontakt erst vor Ort ansprechen wollen: Haben Sie einen Plan!

Das Schöne daran ist, dass Sie mit dieser Strategie gleich zwei Dinge erreichen: Sie sparen Zeit, und Sie wirken zielgerichtet. Sie werden sehen, dass Ihre Gesprächspartner sehr positiv auf Ihre Initiative reagieren werden. Und wenn Sie erst einmal wissen, was Sie wollen, gibt es jede Menge freundliche Unterstützung. Denn Menschen helfen gern anderen Menschen, die unterwegs zu etwas sind.

Problem 2:

Sie hassen Smalltalk.

Strategie: Lassen Sie es.

Viele Introvertierte bekommen von Klatsch und Tratsch Ekelpickel. Bevor Sie Trost im Glühwein suchen: Halten Sie sich lieber fern. Von beidem. Gehen Sie lieber dem nach, was Sie wollen und was zu Ihnen passt.

Ich stelle mir dazu eine ganz einfache Frage: Was finde ich interessant?

Die Antworten können sehr vielfältig sein - und einige von ihnen machen den Abend lohnend. Vielleicht sehe ich zwei Bekannte, die sich wirklich kennenlernen sollten. Wenn ich sie einander vorstelle, bekomme ich Karmapunkte für Weihnachten – und hoffentlich ein paar dankbare Menschen auf dem Weg. Oder ich möchte wissen, wo ich eine gute ärztliche Behandlung bekomme, einen Labradorwelpen oder einfach ein Restaurant, in dem gut gekocht wird.

Wenn ich nach diesen Informationen fische, habe ich etwas von meiner Zeit. Die besten Partys sind jedoch diejenigen, die mich Zeit und Umstände vergessen lassen, weil ich in ein Gespräch vertieft bin, das mich – und auch meinen Gesprächspartner – interessiert. Wenn Sie sich auf die Suche nach interessanten Dingen begeben und Menschen Ihr Ohr schenken, erhöhen Sie Ihre Chancen, diese auch zu bekommen. Und hey: Weihnachten bedeutet auch (wie übrigens das Leben überhaupt), etwas zu geben. Oder?

Problem 3:

Sie denken immer noch, dass dieses Fest eine enorme Zeitverschwendung ist.

Strategie: Gehen Sie angeln - und dann sehen Sie, was Sie haben.

Ja, es mag wie Zeitverschwendung aussehen, wenn Sie einfach auftauchen, mit den Leuten reden und dann im unverbindlichen Dunst des "Wir sehen uns sicher wieder!" verschwinden. Die besten Netzwerkenden auf diesem Planeten achten sehr darauf, dass ihre Begegnungen nachhaltiger sind. (Extrovertierte tun das übrigens oft nicht. Advantage Intros!)

Mit wem würden Sie gern in Kontakt bleiben? Worüber haben Sie gesprochen? Was könnten Sie tun, um den Austausch fortzusetzen? Könnten Sie nach Ihrem Gespräch etwas Nettes oder Nützliches schicken? Wollen Sie über soziale Medien in Kontakt bleiben?

Ja, das sieht alles nach Hausaufgaben aus. Aber wie gesagt, wir Introvertierten mögen Menschen auch. Es gibt genügend Gelegenheiten, Kontakte auf introvertierte Art zu genießen. Und ja, es ist Ihr gutes Recht, nicht jede Einladung anzunehmen!

Wagen Sie es, auf der Party zu lächeln. Die Party lächelt vielleicht zurück.

♫ ♬ Fa-la-la-la, la-la-la-la. ♫ ♬

Bildquelle:  ElenaNichizhenova / istockphoto.com

Über die Autorin

Dr. Sylvia Löhken ist einem breiten Publikum als Expertin für intro- und extrovertierte Kommunikation bekannt. Sie hilft Menschen, sich selbst und andere besser zu verstehen und mit dem, was sie sind, erfolgreich zu sein: an Hochschulen und Forschungsinstituten, in Führungsetagen und auf Kongressen, in Konferenzräumen und im Zusammenleben mit anderen. Sylvia Löhkens Ausgangsfrage ist: Wie gestalten wir unser Leben am besten als die Persönlichkeiten, die wir sind? Das Thema Gespräche treibt sie dabei schon lange um. Ihre Bücher über intro- und extrovertierte Kommunikation (alle bei GABAL erschienen) sind mit 25 Sprachen und über 500.000 verkauften Exemplaren internationale Bestseller. Sie trugen entscheidend dazu bei, den „kleinen Unterschied“ zwischen Intro- und Extrovertierten zu etablieren. Auch die Medienresonanz war und ist groß, bis hin zu Coverstorys in Der Spiegel und Psychologie heute, Interviews in Brigitte, El País oder Madame Figaro, im Deutschlandradio und im NDR, im Handelsblatt und in Psychologies sowie Fernsehauftritten im ZDF, WDR und ORF.
Sylvia Löhken arbeitet weltweit als Coach, Trainerin und Rednerin. Häufig begleitet sie introvertierte Persönlichkeiten auf ihrem Erfolgsweg.