Von Hans-Georg Willmann
Am Ende des Jahres stehen bei den meisten die guten Vorsätze. Alles soll besser werden. Wir nehmen uns vor, weniger Stress zu haben und uns mehr zu entspannen, weniger Zeit im Internet zu verbringen und mehr zu joggen – obwohl im Grunde jeder weiß, dass er die Neujahrsvorsätze nicht einhalten wird.
Gute Vorsätze zum neuen Jahr zu fassen ist ein schönes Ritual.
Und nach einem harten Jahr 2022 haben wir uns redlich verdient, uns auf 2023 zu freuen und uns viele schöne Dinge vorzunehmen, selbst wenn wir nicht alle davon auch wirklich umsetzen werden.
Warum fassen wir gute Vorsätze? Warum gelingt es uns selten, sie einzuhalten und was können wir dafür tun, damit es diesmal wirklich klappt? Einige interessante Fakten, wirksame Tipps und kreative Ideen:
Fakten zum Mitnehmen
Die Geschichte der guten Vorsätze ist eine Geschichte über den Versuch der Menschen, sich selbst zu verbessern, über Optimismus und Hoffnung.
Der Brauch der guten Vorsätze lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen. Er hängt mit der menschlichen Neigung zusammen, über die Stränge zu schlagen. Das war im alten Griechenland nicht anders als im Mittelalter und auch heute übertreiben wir es oft genug: Wir geben zu viel Geld aus, sitzen zu lange vor dem Internet, essen zu ungesund und trinken zu viel. Besonders zum Jahreswechsel geloben wir uns selbst dann gerne Besserung.
Selbstverbesserung:
Der gute Vorsatz, sich im neuen Jahr mehr zu bewegen oder weniger zu trinken, gibt uns das Gefühl, dass wir es könnten, wenn wir es wollen. Dahinter steckt der Wunsch, das eigene Leben zu kontrollieren. Wenn wir das Gefühl haben, wir hätten Kontrolle, dann geht es uns gut, dann können wir viel Alltagsbelastung aushalten. Dabei geht es nur um das Gefühl. Ob wir unser Leben tatsächlich unter Kontrolle haben, spielt keine Rolle. Wir müssen es nur glauben, und schon geht es uns besser. Deshalb fühlen wir uns gut, wenn wir Neujahrsvorsätze fassen, auch wenn wir eigentlich wissen, dass wir sie nicht umsetzen werden.
Optimismus und Hoffnung:
Menschen sind geborene Optimisten. In der Evolution hat es sich wohl als Vorteil erwiesen, eine zuversichtliche Grundhaltung einzunehmen. Es macht uns aktiver und hilft uns durch den Tag, wenn wir das Gefühl haben, dass wir es schaffen können und dass es sich lohnt. Und hier kommt die Hoffnung ins Spiel. Neujahrsvorsätze geben uns Hoffnung, dass im nächsten Jahr alles besser wird. Das ist wie beim Lottospielen. Die Hoffnung auf einen Lottogewinn steigert das Wohlbefinden, auch wenn jedem klar ist, dass die Chance zu gewinnen gering ist. Es geht uns gut dabei, uns vorzustellen, ein Vermögen zu machen und auf einen Schlag alle Sorgen loszuwerden. Hoffnung ist gesund, auch wenn das Erhoffte nicht eintritt.
So ist das auch mit unseren guten Vorsätzen fürs neue Jahr. Die Erfolgsquote ist gering. Wirklich lange halten die meisten von uns nicht durch. Laut Umfragen schafft es gerade jeder Fünfte, das umzusetzen, was er sich an Silvester vornimmt. Vier von fünf bleiben einen Tag, einige Wochen oder gerade mal zwei Monate dabei, bevor sie in die alten Gewohnheiten zurückfallen.
Tipps, damit es diesmal wirklich klappt
Wir sind halt alle nur Menschen und Scheitern ist menschlich. Dabei ist es gar nicht mal so aussichtslos, Neujahrsvorsätze umzusetzen. Ein bisschen Psychologie und die richtige Herangehensweise – schon klappt es leichter. Die fünf wirksamsten Tipps:
1. Kleinere Neujahrsvorsätze fassen – Weniger ist mehr
Weniger Stress und mehr Entspannung, sich gesünder ernähren und abnehmen: Neujahrsvorsätze sind oft viel zu groß. Wir nehmen uns vor, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, ohne uns genau zu überlegen, was das eigentlich heißt. Das kann unser Gehirn buchstäblich nicht begreifen. Besser ist dagegen, sich ein konkretes Ziel zu setzen. Nehmen wir uns vor, jeden Donnerstagnachmittag zwischen 17.00 und 19.00 Uhr mit den Kindern etwas zu unternehmen, dann ist das konkret fassbar und planbar – dann wissen wir genau, dass wir Donnerstag um halb fünf Feierabend machen, um zu unseren Kindern zu fahren. Unser Gehirn braucht ein präzises Ziel. Erst dann denken wir nach, wie wir das schaffen können.
2. Umsetzung der Neujahrsvorsätze planen– Wann und wie?
Wir nehmen uns vor, zwölf Kilogramm bis zum Sommer abzunehmen. Doch wie wollen wir das schaffen? Hilfreich ist es, sich zu einem konkreten Ziel, „Zwölf Kilogramm bis 1. Juli“ einen Plan zu machen. Beispielsweise können wir festlegen, zweimal die Woche, Montag und Dienstag, auf Alkohol, Fastfood und Süßes zu verzichten und zweimal die Woche, Mittwoch- und Freitagabend, eine halbe Stunde laufen zu gehen. Indem wir exakt planen, bahnen wir uns mental den Weg, den wir real gehen werden, um unseren Vorsatz umzusetzen. Unser Gehirn braucht einen konkreten Was-Wann-Wie-Plan, damit wir wirklich aktiv werden.
3. Was haben die Neujahrsvorsätze mit uns selbst zu tun – Warum?
Warum wollen wir überhaupt abnehmen oder weniger Zeit vor dem Internet verbringen? Wir können doch machen, was wir wollen! Die Frage nach dem „Warum“ ist eine der wichtigsten Fragen, denn sie hat etwas mit unserem Selbstbild und damit zu tun, wie wir leben wollen. Gute Vorsätze sind nur die sichtbare Oberfläche unserer Bedürfnisse. Wollen wir abnehmen, ist es vielleicht unser Bedürfnis danach, wieder aktiver mit unseren Kindern spielen zu können. Wollen wir sparsamer mit Geld umgehen, steht vielleicht das Bedürfnis nach mehr Sicherheit dahinter. Der gute Vorsatz ist nur ein Mittel zum Zweck, dem Zweck unserer Existenz – warum und wie wollen wir leben?
4. Umsetzungswege finden, die Spaß machen
Gesünder essen oder mehr bewegen – es ist schon schwer genug, sich nach einem stressigen Tag im Job aufzuraffen, etwas anders zu machen, als wir es gewohnt sind. Wenn gute Vorsätze nur als zusätzliche Arbeit betrachtet werden, verlieren wir schnell die Lust an ihnen. Leichter ist es, wenn wir Umsetzungswege finden, die uns Spaß machen. Gesünder essen heißt nicht, bei Wasser und Brot zu darben. Sich mehr zu bewegen, bedeutet nicht, monotone Kilometer auf dem Laufband zu laufen. Es gibt immer eine Schnittmenge zwischen dem, was man erreichen will und dem, was man dafür tun kann. Kreativität hilft dabei, diese Schnittmengen zu finden. Sich auf die Suche zu begeben, macht schon Spaß.
5. „Plus1“
Gute Vorsätze bedeuten immer, dass wir etwas in unserem Leben ändern wollen. Doch das Leben ist schon hart genug. Wie sollen wir da noch die Energie aufbringen, etwas anders zu machen? Eine einfache Erkenntnis schafft Erleichterung: Wir können unser Leben nicht ändern, auch wenn wir uns das manchmal wünschen. Aber wir können jeden Tag neu beginnen, unser Ändern zu leben. Immer dann, wenn es schwer wird, können wir uns an eine wirksame Technik erinnern: „Plus 1“ – einfach einen Schritt weitergehen.
Ideen für etwas andere Neujahrsvorsätze 2023
Warum nicht für 2023 auch einmal Dinge vornehmen, die über die klassischen Neujahrsvorsätze hinausgehen? Vier kleine Ideen mit großer Wirkung:
Dankbar sein für das, was ist.
Wenn wir uns vornehmen, jeden Abend eine Kleinigkeit zu notieren, für die wir heute dankbar sind, dann wird sich unser Leben und das Leben der Menschen in unserem Umfeld positiv verändern. Denn wer dankbar ist kann nicht unzufrieden sein.
Einmal am Tag etwas Nettes sagen.
Wenn wir uns vornehmen, einmal am Tag unserem Partner, unseren Kindern, einem Arbeitskollegen oder dem Nachbarn etwas Nettes zu sagen und zu lächeln, dann bringen wir mehr Freude in diese Welt.
Eine gute Tat am Tag.
Wenn wir uns vornehmen, einmal am Tag jemandem zu helfen, dem Nachbarn die Türe aufzuhalten oder die Einkaufstasche zu tragen, dann wird die Welt ein wenig freundlicher. Glücksforscher wissen es schon lange: Anderen Menschen zu helfen macht glücklich.
Einen Baum pflanzen.
Wann haben wir das letzte Mal unsere Hände in die Erde gesteckt? Wann das letzte Mal der Natur etwas Gutes getan? Wer Bäume pflanzt, schafft Leben. Das macht nicht nur glücklich, sondern trägt auch zum Klimaschutz bei.
Fazit
Das Jahresende, die Zeit der guten Vorsätze, ist eine Zeit, uns zu fragen, wie und in welcher Welt wir im nächsten Jahr leben wollen. Unsere Neujahrsvorsätze machen uns bewusst, was uns wichtig ist und was wir erreichen möchten. Auch wenn wir bei den meisten Neujahrsvorsätzen auf halbem Weg doch wieder scheitern – einige gute Vorsätze für 2023 werden wir einhalten, weil Sie für uns wirklich bedeutsam sind. Und für alles andere gibt es dann ja auch noch 2024 …
Über den Autor
Hans-Georg Willmann fokussiert sich seit über 20 Jahren darauf, Menschen bei der Verwirklichung ihrer Karriere- und Lebensziele zu unterstützen. Dabei greift der Diplom-Psychologe und zertifizierte Coach (Berufsverband Deutscher Psychologen) auf ein fundiertes Business-Know-how in der Personalarbeit, im Coaching und im Outplacement zurück. 2003 gründete Willmann sein eigenes Unternehmen für Personalberatung & Coaching. Davor arbeitete er im Personalwesen, u.a. für den Deutschen Entwicklungsdienst (heute Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) und im Bereich der Outplacement-Beratung in Projekten für SIEMENS, DEBITEL und andere Großunternehmen. Willmann hat mehr als 30 Bücher geschrieben, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Darunter 30 Minuten Willenskraft, Erfolg durch Willenskraft und 30 Minuten Selbstvertrauen. Seine Mission: Menschen weiterbringen. Der Freiburger lebt seit 2016 in Australien und berät online: weltweit.