Der GABAL-Verlag ist Medienpartner der herCAREER Expo.
Warum bringen Antidemokrat:innen, Rassist:innen, Sexist:innen und homo- sowie transphobe Menschen uns aus dem Gleichgewicht? Wie reagierst du, wenn jemand im Meeting einen sexistischen Spruch macht? Oder wenn auf der Familienfeier ein rassistischer Kommentar fällt? In dieser Folge lernst du von Mo Asumang, wie du in solchen Momenten Haltung zeigen kannst – ohne laut zu werden, ohne dich selbst zu verlieren.
Mo Asumang ist Moderatorin, Autorin, Dokumentarfilmerin und Gründerin des Vereins MoLab. Für ihre Arbeit gegen Rassismus und für Demokratie wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Ihre Entscheidung, den Dialog mit Neonazis zu suchen, entstand aus persönlichen Erfahrungen mit rassistisch motivierter Gewalt – darunter Morddrohungen und körperliche Angriffe.
Im Gespräch mit Moderatorin Kristina Appel beantwortet sie,
- Warum sie den Dialog sucht, wo andere Flucht oder Gegenwehr wählen.
- Wie sie mit Angst umzugehen lernte.
- Warum “mit Neonazis sprechen” nicht dasselbe ist, wie “Neonazis eine Plattform bieten.”
- „Wir ziehen Mauern hoch – und dahinter stehen Millionen. Aber Mauern lösen nichts. Dialog schon.“
Diese Folge ist für alle, die sich für Demokratie, Dialog und ein respektvolles Miteinander einsetzen wollen – und dabei nicht ihre Energie und den Mut verlieren möchten.
[00:00:00] Mo Asumang: Im Moment ist es so, dass wir eigentlich nur Mauern hochziehen und hinter den Mauern stehen dann irgendwelche Nazis oder Frauenfeinde. Wir haben dann lauter Mauern: aus Facebook raus, aus Insta raus, im Verein spreche ich nicht mehr mit ihm oder ihr. Es gibt Gründe, warum man das machen kann. De facto stehen Leute hinter einer Mauer, die sie sich selbst auch gebaut haben, aber die wir auch noch zusätzlich bauen.
[00:00:35] Kristina Appel: Willkommen beim HerCareer Podcast. Du interessierst dich für aktuelle Diskurse aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, und das insbesondere aus einer weiblichen Perspektive? Vielleicht wünscht du dir persönliche Einblicke in den Arbeitsalltag von Menschen und Unternehmen, die sich dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel stellen? Dann bist du hier genau richtig. Es gibt nicht nur eine Art des Kampfes für die Demokratie und gegen Diskriminierung, sondern viele. Und doch hat Mo Asumang sich eine besondere Art der Auseinandersetzung ausgesucht: den Dialog. Wie sie mit rechtsradikalen und misogynen Menschen spricht, warum sie es tut und in welchem Setting das am besten gelingt, erzählte sie live auf der HerCareer Expo.
[00:01:27] Kristina Appel: Gut, dann fangen wir jetzt an. Herzlich willkommen. Schön, dass ihr alle da seid. Mein Name ist Kristina Appel. Ich bin Journalistin mit dem Schwerpunkt Chancengerechtigkeit. Neben mir sitzt Mo Asumang. Sie ist so viele Sachen. Du bist Moderatorin, Dokumentarfilmerin, Autorin. Dein Dokumentarfilm „Die Arier“ ist, man muss fast sagen, leider zeitlos und auch hochaktuell. Genauso wie dein Buch, „Mo und die Arier“, und beide sind Lehrstoff bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Du bist außerdem Gründerin des Vereins mo:lab zur Förderung von Dialog und Demokratie, und darüber werden wir heute vorrangig sprechen. Für deinen Mut, deine Demokratie- und Antirassismusarbeit, wurdest du 2019 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
[00:02:12] Mo Asumang: Danke für die Einladung.
[00:02:13] Kristina Appel: Hat sich deine Arbeit je wichtiger angeführt als jetzt gerade?
[00:02:17] Mo Asumang: Also im Moment habe ich tatsächlich das Gefühl, den Satz, den ich schon seit 10 Jahren sage, es wird langsam gefährlich, dieser Satz ist grade, ja, state of the art und wir müssen wirklich aufpassen, dass wir da noch die Kurve kriegen und wie du mich ja kennst und wie Leute mich auch kennen, ich gehe ja auf Menschen zu, die eine ganz andere Meinung haben als ich, die mich auch vielleicht rassistisch anpöbeln und diese Dialogstrategie oder diesen Weg in den Dialog zu gehen, glaube ich, dass wir das unbedingt weitermachen sollen.
[00:02:53] Kristina Appel: Das ist sehr schwierig und diesen Satz werde ich wahrscheinlich heute noch ein paar Mal verlieren, aber wir fangen ein bisschen vorne an. Welche Erfahrungen hast du mit rechter, rechtsextremer, rassistischer Gewalt gemacht, bevor du in diese Aufklärungsarbeit gegangen bist?
[00:03:07] Mo Asumang: Ja, man würde denken, warum trifft die sich mit Nazis, aber da war tatsächlich noch eine ganze Menge davor. Also als Kind, als zweijähriges Kind, sind meine Mutter, meine Großmutter und ich, wir haben in Kassel gewohnt, in so einem sehr schönen Haus mit Pferdeköpfen. Und dann ist mein Vater da aufgekreuzt, dann bin ich da aufgekreuzt mit der dunklen Hautfarbe. Und dann haben sie uns aus dem Haus rausgeschmissen. Also nicht nur mich, sondern eben auch meine weiße Mutter und meine weißen Großmutter. Und dann mussten wir da weg und ja, in der Schule war es eigentlich okay. Da hatte ich gute Freunde, aber als ich dann nach Berlin kam, da war ich Taxifahrerin und als Taxifahrerin wurde mir einmal der Kopf aufs Taxidach draufgeknallt. Da hatte ich einen Taxigast, der eine halbe Stunde lang von Rudow bis Reinickendorf rassistisch gepöbelt hat und dann wollte ich ihn loswerden und hab‘ gedacht: Ja, ich glaube, sie müssen aussteigen. Er wollte aber mit mir noch durch den Wald fahren. Und das habe ich dann aber nicht gemacht. Und da bin ich ausgestiegen, denke nichtsahnend, ja, der steigt jetzt aus und sucht sich was anderes. Dann springt er raus, nimmt mein Kopf zwischen seine Hände und knallt ihn mehrmals aufs Taxidach. Und bin dann halt gerade noch so geflüchtet. Dann hatte ich als Taxifahrerin noch mal so ein Erlebnis. Da wollte jemand nicht bezahlen. Und der holte dann unterm Pullover eine 9mm raus.
[00:04:36] Kristina Appel: Das hast du sofort erkannt?
[00:04:38] Mo Asumang: Ja, das habe ich sofort erkannt.
[00:04:41] Kristina Appel: Also die neun Millimeter.
[00:04:43] Mo Asumang: Ne, ehrlich gesagt hatte ich ja selber so eine Fake-9mm als so eine Gaspistole. Die liegt jetzt irgendwo im Schrank und verrottet da vor sich hin, aber die hatte ich immer dabei. Tatsächlich brauchte ich eigentlich nicht. Genau, und der hat dann auf meinen Kopf gezielt und hat gesagt, mal sehen, was jetzt mit dir passiert. Und das Allerkrasseste war tatsächlich, da habe ich einen kleinen Job gemacht und wollte eigentlich Leute befragen, in der Straßenbahn. Ich war Fahrgastbefragerin und wollte sie befragen ob sie das Streckennetz gut finden und einen den ich befragt habe, das war auch ein Rassist, der hat mich hier genommen, hat mir die Gurgel zugedrückt. Ich habe keine Luft mehr bekommen. Dann hat er mich so hochgezogen, die Straßenbahn ist losgefahren. Ja und dann baumelten die Beine so in der Luft und die Straßenbahn fuhr, aber es hat halt keiner geholfen. Und das war einfach so unfassbar. Also ich stand da so ganz betröppelt dann, als der dann an der nächsten Haltestelle ausgestiegen ist. Ich hab dann auch sofort den Job gekündigt. Aber all diese Dinge habe ich nie zur Anzeige gebracht. Und das finde ich ist sehr befremdlich in dieser Zeit heute, in der wir ja viele Möglichkeiten mittlerweile haben. Antidiskriminierungsstellen, Antidiskriminierungsstelle des Bundes, okay, Polizei, das muss man jetzt nicht unbedingt erwähnen, weil da weiß man auch nicht, was am Ende dabei rauskommt. Ich bin auch schon von der Polizei vermöbelt worden. Also es ist eine Menge passiert, bevor ich den Schritt gewagt habe und gesagt habe, so, jetzt geht es einfach nicht mehr weiter. Ich glaube, ich muss da was tun. Weil, also die Folge ist dann natürlich, dass man, wenn man Rassismus erfährt oder auch Frauenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Homofeindlichkeit also ich meine es gibt so viel ja, wenn man das erfährt dann geht man ja oft ganz instinktiv erst mal so in die Vermeidungsstrategie. Das heißt also, bestimmte Gespräche vermeidet man, bestimmte Dinge zu sagen vermeidet man und man zieht sich so zurück und es bedeutet aber eigentlich dass es nur noch schlimmer wird. Kennst du diesen den film „The Fifth Element“, da gibt es so eine Szene, da kann man das wirklich richtig gut erkennen, dass es immer schlimmer wird, wenn man es vermeidet, ja. Da kommt so ein Feuerball auf die Erde zugeflogen. Und dann sagt der Präsident: Beschießen! Und dann wird der Feuerball beschossen und dann macht der Feuerball so. Mist, der ist ja größer geworden, noch mehr, noch mehr beschießen und je mehr sie ihn beschießen, umso größer wird er, und das passiert auch wenn man eben in die Vermeidungsstrategie geht und irgendwann ist das dann nicht mehr zum Aushalten. Ich habe dann meine Wohnung immer durchsucht und, ja, was ich immer noch heutzutage mache ist, wenn ich mit dem Auto unterwegs bin und ich mache mal eine Pause, dann gucke ich immer hinten im Kofferraum nach, ob da ein Nazi drin sitzt. Manchmal in Hotels gucke ich auch tatsächlich immer noch unter dem Bett, nicht in jeder Stadt, aber in so kleineren Städten, wo man welche vermutet.
[00:07:58] Kristina Appel: Ich weiß gar nicht so richtig, was wir darauf sagen können. Viele von uns können das in diesem Maße nicht nachvollziehen. Was wir sicherlich nachvollziehen können, ist auch den Alltagssexismus, den wir erleben im Kleinen und solche Geschichten.
[00:08:10] Mo Asumang: Der kommt ja noch dazu.
[00:08:13] Kristina Appel: Genau, also ich habe schon in unserem letzten Interview und auch jetzt wieder das Gefühl und du hast es schon so ein bisschen angeschnitten, aber dieser Impuls zu sagen, okay, also nicht zu sagen, ich verstecke mich jetzt oder ich gehe oder ich geh nicht mehr alleine raus und auch nicht in ein aggressives Spiegelbild dich zu werfen, also, nicht selbst zurück zu schlagen, verbal zurück anzugreifen, das wären ja so Instinkte, die man hat. Du hattest den Instinkt: Ich frag die jetzt mal, wie es ihnen geht. Also du hast im Prinzip dich entschieden, auf Versammlungen von rechtsextremen Menschen zu gehen und mit denen zu sprechen. Warum?
[00:08:53] Mo Asumang: Warum? Ja, warum? Weil ich eine Morddrohung bekommen habe von einer Neonazi-Band, das war dann sozusagen so der Peak. Und die haben gesungen, also sie haben ein Lied gesungen. Die Kugel ist für dich, Mo Asumang. So, damit war dann gesetzt, dass dieses Lied in die Gesellschaft, überall in die Nazi-Gesellschaft reingeht und eben die Leute dieses Lieder hören können. Und dann konnte ich mich nicht mehr verstecken. Und dann dachte ich tatsächlich allen Ernstes, ich gehe da mal locker hin auf eine Nazi-Demo. Ich habe es wirklich gedacht. Ich gehe da hin und gehe durch die Absperrungen durch. Da sehe ich dann auch Polizisten, die habe ich dann auch gefragt, hey, wie sieht es aus? Könnt ihr mich retten im Zweifel? Die haben mit dem Kopf geschüttelt, weil die haben gedacht, ich geh in die falsche Richtung. Ja, und dann habe ich plötzlich gemerkt, wie dieser Rassismus, also all das, was ich wirklich so im Laufe meines Lebens so erlebt habe, in meinem Körper verankert ist und ich tatsächlich also wirklich immer schwerer wurde, auch angefangen habe zu zittern und ich wusste das gar nicht, also ich ich dachte tatsächlich, ich bin cool, ja, und dann kommt sowas und es war mir richtig übel. Also es hat körperliche Reaktionen hervorgerufen, und das weiß man erst wenn man es probiert und damit war dann quasi so ein Selbstversuch gestartet So, das will ich jetzt wissen. Wieso habe ich das jetzt nicht mehr unter Kontrolle? Das kann doch wohl nicht sein. Und instinktiv, ich weiß nicht, wo das her kam, aber instinktiv habe ich mir so ein inneres Bild gebaut. Ein inneres bild, um in der Lage zu sein weiter zu laufen. Das kann man vielleicht auch anwenden, so ein inneres Bild. Also ich habe, das war die Dampfwalze, ich habe mich als Dampfwalze jetzt mal kurz da hinein versetzt. Und bin dadurch eben weiter gelaufen oder weiter gewalzt und wenn man jetzt zum Beispiel am Arbeitsplatz, im Verein oder sonst wo, jemand hat, der immer wieder diese Sätze sagt oder diese Worte, das N-Wort und man schafft es einfach nicht hinzugehen, dann hilft es auf jeden Fall sich so ein inneres Bild zu bauen. Es kann zum Beispiel auch sein, ich bin ein Vögelchen, habe ich das Bild, ich könnte wegfliegen Oder ich bin ein Porsche. Ich fahre einfach mal vor, das macht Eindruck, irgendwie sowas. Bei mir war es eben die Dampfwalze, die da gemächlich lang läuft. Was mir nicht so bewusst war, das Bild ist eigentlich sehr schön, obwohl es nicht so sexy ist, aber sehr schön. Weil die Dampfwalze baut eine Straße. Das heißt also, wenn ich als Vorbild für die anderen das aushalte erst mal, später war das dann gar nicht mehr Aushalten, weil ich da einfach so drin war. Aber am Anfang war es wirklich noch Aushalten. Wenn ich das schaffe, bin ich für andere ein Vorbild und dann trauen die sich vielleicht auch, ins Gespräch zu gehen mit Menschen, die eine andere Meinung haben. Und das ist tatsächlich so, dass man so getriggert wird, dass man wirklich nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Und auch ein Wort kann sich anfühlen wie ein tatsächlicher Angriff. Also ob da jetzt ein Speer angeflogen kommt, ein tatsächlich echter, oder ob da ein Bus auf dich zukommt, oder ein Wprt. Das ist vielleicht nicht ganz so heftig. Aber das passiert trotzdem, dass du das eben als Angriff empfindest und dann gehst du automatisch, weil wir das ja so als Menschen, als Urmenschen schon gelernt haben, gehst du automatischen entweder Gegenangriff, ja, mit dem Aggressor kämpfen oder du rennst, rennest weg oder du stellst dich tot.
[00:12:41] Kristina Appel: Wir sagen ja häufig, man kann mit Rechten nicht reden, man kann mit Misogynen nicht reden. Man kann mit Tradwives nicht reden so, die sind verloren für uns. Und trotzdem bist du ja losgezogen und bist entgegen dieser Angst und nach diesen körperlichen Erfahrungen und Bedrohungen losgegangen und hast den Dialog gesucht. Was wolltest du erfahren, erreichen damit?
[00:13:05] Mo Asumang: Also ich wusste gar nicht was ich erfahren wollte eigentlich. Am Anfang wollte ich denen doch, ja ich wollte ihnen die Meinung geigen, so war zumindest so das Erste und das habe ich ja früher natürlich auch mit wachsender Begeisterung getan und dann habe ich aber festgestellt, dass das gar nichts bringt. Es bringt viel mehr, selber in der inneren Ruhe zu bleiben und das Gegenüber damit total zu überraschen. Und das ist so fantastisch zu sehen, wenn die dann wirklich ganz blöd aus der Wäsche gucken, wenn sie irgendein Wort rausballern und du dann einfach fragst, ah, das N-Wort, seit wann sagst du das denn eigentlich? Wo hast du das dann zum ersten Mal gehört? Anstatt in die Luft zu gehen und zurückzuschlagen oder irgendwas. Also eher die Leute dann wirklich auch zu fordern. Aber wirklich am Anfang, man will einfach die bessere Rhetorik haben, die besseren Argumente haben und dann passiert einfach nur, dass Argumente auf Argumte treffen, und das ist dann einfach nur so eine Art Fight und das hat sich für mich nach einer Weile auch irgendwann nicht mehr richtig gut angefühlt und du kannst auch diesen Fight-Modus nicht lange durchhalten. Also das funktioniert vielleicht mal eine Weile, aber man sieht es auch, muss man ehrlich sagen, bei vielen Leuten bei der Antifa. Obwohl ich denke, die Antifa jetzt, in diesen Zeiten, Leute, ist extrem wichtig. Ich bin froh, dass wir die haben. Aber es gibt einige, die so in diesem Fight-Modus sind und auch hassen eigentlich, ehrlich gesagt. Das tut einem persönlich nicht gut. Und du kannst da nicht eine Kraft rausziehen, um weiterzumachen. Ja, ich wollte einfach weitermachen, bis ich dann vor denen stehe und cool bin. Das wollte ich.
[00:15:00] Kristina Appel: Es gibt ja momentan sehr viel Kritik an Politik-Talks. Kritik daran, dass wir Menschen eine Bühne, eine Plattform bieten, ihre Aussagen dann da in dem Moment unkorrigiert oder nicht in Kontext gebracht stehen bleiben und Eindrücke hinterlassen. Jetzt verstehe ich, dass ein TV-Talk anders ist als ein 1-zu-1-Gespräch. Was ist der Unterschied zwischen diesen zwei Begegnungen in dem Moment?
[00:15:27] Mo Asumang: Also ein TV-Talk mit jemanden von einer rechten Partei zum Beispiel oder auch ein Interview nur mit Kamera zielt ja wirklich nur auf die Aussage dieses Menschen und das heißt also wirklich unkommentiert und da steht ja nichts dagegen und wenn man jetzt zum Beispiel meine Filme anschaut, dann sieht man meine Lebensgeschichte daneben, dann sieht man meine Haltung. Und dann kann ich selber einordnen. Ohne dass ich den anderen in eine Schublade packe oder ohne, dass ich dem anderen in Grund und Boden rede oder so. Aber allein an der Haltung, wenn die offen ist und wenn das eher so was ist, was wir uns als Gesellschaft wünschen, eine Offenheit, eine Liebe, ja, eine Empathie, so, dann steht das eben dagegen. Und das kannst du als Mensch… und auch als Kind, glaube ich schon, erkennen, dass das doch auch eine Kraft hat. Und das nimmt vielen auch so ein bisschen den Wind aus den Segeln. Und das andere ist tatsächlich ganz oft eine Plattform zu bieten. Ja, also man muss sie wahrscheinlich einladen, weil das nicht anders geht. Aber ich glaube, man hätte sie am Anfang nicht so viel einladen müssen. Mittlerweile ist einfach diese Hate Society so groß. Die haben doch ihre eigenen Medien, die brauchen uns ja gar nicht mehr und das ist ja das Fatale.
[00:16:53] Kristina Appel: Lass uns zu deiner Arbeit mit dem mo:lab kommen, weil es ist faszinierend. Ihr bildet Dialogbotschafter:innen aus und wenn ich das richtig verstehe, dann lernen die das, was du am eigenen Leib gelernt hast von dir. Also in diese Begegnung zu gehen. Wie macht ihr das?
[00:17:09] Mo Asumang: Haben die Leute gefragt irgendwann, wie machst du das, dass du so ruhig sein kannst, wenn du vor den Nazis stehst, obwohl die dir Sachen ins Gesicht schmeißen, dein Vater ist ein Gen-Entführer, der hat die Gene deiner weißen Mutter geraubt, um die Rasse aufzuwerten. Rasse gibt es vielleicht oder Art gibt es, aber dann ist der Mensch die Art. Und ich habe dann gesagt, ja, also ich habe da so meine Tricks. Irgendwann war ich in Hongkong, in einer jüdischen Schule, und da war die Lehrerin, also die Direktorin, hat dann zu mir gesagt, sag mal, das ist ja so toll, so toll bei den Schülerinnen und Schülern angekommen, kannst du das nicht mehr auf größere Beine stellen, Füße stellen. Und dann kam eben diese Idee, tatsächlich was Größeres zu gründen, also ein Verein, um dann den Leuten das beizubringen. Und das habe ich dann mit Frank zusammen, mit dem ich das mache, der ist auch Coach und Verhaltenstrainer. Und das haben wir dann Dialog-BotschafterInnen genannt oder Werde-Dialog- Botschafterin, um dann eben viele Menschen in der Gesellschaft zu haben, die auch mit Menschen reden können, die ja eine ganz andere Meinung haben, die aber mit ihnen so reden wie ich, indem sie einfach zuhören, sie mit in die Reflexion begleiten. Und all das. Und das lernen sie bei uns im Dialogbotschafter:innen-Workshop. Der geht den ganzen Tag und hopefully auch gefördert. Also bisher musste keiner was bezahlen. Das ist das Gute. Ja, und dann lernen sie das und dann haben wir uns überlegt, hm, was machen wir jetzt? Die müssen das ja auch üben. Das erlebt ja nicht jeder so wie ich halt tagtäglich. Und wie können wir die jetzt ins Üben bringen? Und da ist die Idee der „Motz Bude“ geboren. Die „Motz Bude“ ist ein Zelt, und da drin sind immer zwei Stühle gegenüber. Auf einem Stuhl sitzt ein Dialogbotschafter oder eine Dialog-Botschaferin und wartet und auf dem anderen soll sich dann einer, der draußen vorbeiläuft oder der extra eingeladen wurde, hinsetzen und muss motzen. Ja, wer nicht motzt, fliegt raus. Wir machen im Prinzip das Gegenteil von dem, was die Gesellschaft im Moment als State of the Art benutzt. Wir sagen nicht stopp, sondern wir sagen, du musst motzen. Um das so ein bisschen schöner zu verpacken, haben wir draußen, ich habe auch diese Kärtchen mal mitgebracht, haben wir so Kärtchchen draußen liegen, dann steht da „Motz Bude Check-In“ und die Frau, die da gerade vielleicht vorbeikommt, die vielleicht zur Arbeit will oder jemand, der beim Einkaufen ist oder wie auch immer, zum Sport geht oder so, sie sehen dann diese Karten und dann denken die, oh Gott, was ist das denn, das muss ich mir mal anschauen. Und dann steht dann „Motzen und Meckern“, „Maximal Motz“, „Minimotz“ und „Ich brauch‘ mal nur ein Ohr“. So, und das sind die Kategorien, zu denen man da einchecken kann und dann hat man noch einen Motz-Slot von 5 bis 15 oder 20 Minuten, meistens ist es aber allerdings länger. Ja und dann müssen die richtig loslegen und die Dialogbotschafter:innen, die kommen dann richtig, richtig toll ins Üben und das, wir haben das jetzt, vorletzte Woche haben wir das in Jena gemacht und eine, die auch Dialog-Botschaferin ist, die kam dann auf mich zu und dann sagt sie, Mo, das ist ja fantastisch, das funktioniert ja. Sie hat gesagt, das funktioniert ja. Und dann hat sie noch gesagt, das ist ja eigenartig. Weißt du was? Ich möchte jetzt eigentlich noch jemanden haben, der noch härter drauf ist. Und das ist tatsächlich so. Ich kann es bezeugen, weil am Ende stand ich beim Ku-Klux-Klan. Es ist wirklich so, weil es funktioniert und irgendwie macht es süchtig.
[00:20:59] Kristina Appel: Es ist so, also für die, die sich das noch nicht richtig vorstellen können, das ist für mich als Journalistin, es begeistert mich. Du stellst dich hin, du lässt sie reden, du argumentierst nicht, du verteidigst dich nicht oder deine Haltung nicht, du klagst nicht an, du fragst immer wieder, aber warum denn? Aber wie sieht das denn aus? Kannst du mir das nochmal erklären? Wo kommt das her. Und in dieser Naivität, in Anführungszeichen, die da liegt…
[00:21:26] Mo Asumang: Es ist Neugierde.
[00:21:27] Kristina Appel: Ja, du zeigst Interesse und kannst du beschreiben, was du erlebt hast, wenn ein, ich stelle mir vor, wie ein Typ in Springerstiefeln, aber die brauchen sie heute ja auch nicht mehr, da sitzt, wirkt es in dem Moment, glaubst du, es wirkt auf dem Nachhauseweg, glaubt du es wird zwei Wochen später bei der nächsten Begegnung vielleicht mit jemandem, der anders aussieht…
[00:21:51] Mo Asumang: Ich muss gleich mal eine Whatsapp rausholen, die ich euch zeigen will. Also es wirkt schon auf jeden Fall in dem Moment, weil das ist ja so eintrainiert. Du schmeißt irgendwas in den Raum, um die Leute damit zu provozieren. Und das funktioniert normalerweise eins A. Da kann man sich drauf verlassen. Und das ist dann natürlich eigenartig, wenn die Reaktion eine ganz andere ist. Weil du weißt, also wenn du in die Wut reingehst als Aggressor, dann geht der andere auch in die Wut rein. Oder er haut oder sie haut ab. So, das weißt du. Und jetzt kommt aber jemand, der diesen einen kleinen, spitzen Satz hinterfragt und nicht locker lässt. Und das ist das Schöne. Also anstatt zu stoppen, wirklich zu hinterfragen. Und da auch nicht locker zu lassen, also so richtig tief reinzugehen. Und dann merkst du, dass die Leute sich überhaupt noch keine Gedanken darüber gemacht haben. Da werden einfach so Sätze reingeworfen, ja, sollen doch die, ich sag das jetzt mal, was gesagt wurde, sollen doch Geflüchtete im Meer ertrinken, wird einfach mal so reingedrückt. Aber wenn du dann sagst, okay, das ist das, was du dir wünschst. Wird noch gar nicht bewertet. Wenn du das kannst, erklär mir das mal. Beschreib mir mal, wie sieht das aus, wenn ein Mensch im Meer ertrinkt. Plötzlich ist man auf einem anderen Level. Das ist das Level Realität, und nicht nur ich schmeiß da mal da irgendwas hin. Und in diesem Level werden sie selbst auch berührt, weil sie dieses Realitätslevel ja auch selber spüren. Und dann ist das nämlich eben nicht mehr nur der Satz, sondern auch, was es wirklich eigentlich bedeuten kann. Beschreib die Hand der Frau, die ins Wasser greift, um ihr Baby zu retten. Beschreibe mir die Hand.
[00:23:47] Kristina Appel: Wie glaubst du fühlt sich das an zu ertrinken? Wäre das eine Frage, die man stellen kann?
[00:23:52] Mo Asumang: Ja genau, wie glaubst du? Aber nett, kann man doch nett fragen, aber nur wenn du das halt kannst. Damit habe ich wirklich sehr, sehr gute Erfahrungen gemacht. Auch wenn jemand das N-Wort sagt, dann kann man doch auch mal fragen, seit wann sagst du das? Von wem hast du das, wie oft hast du es denn schon benutzt? Und wie fühlt sich denn für dich an, das zu benutzen? Wie reagieren denn die Leute auf der anderen Seite? Und das bringt die Leute ziemlich so aus der Fassung, ja. Du scheinst Menschen wahnsinnig zu mögen. Ich glaube, ja, ja! Ja, ich weiß nicht, woher das kommt. Ich glaube auch, das hat vielleicht auch ein bisschen damit zu tun. Ich war im Kinderheim und mit fünf Wochen bin ich ins Kinderheim gekommen. Und dann war ich da ein Jahr lang. Meine Mutter hat gearbeitet. Mein Vater hat auch gearbeitet. Meine Oma hat gearbeitet, war ich halt in diesem Kinderheim und danach bin ich zu Pflegeeltern gekommen, dann war ich noch bei anderen Pflegeeltern und ich glaube, da ist ja auch so eine Unsicherheit. Angst ist gleich Unsicherkeit auch, ja. Und um aus dieser Unsicherheit rauszukommen, muss man irgendwie ins Aktive hineinkommen und ich glaube, einfach will ich, ich will eigentlich flüchten vor dieser Unsicherheit und die ist bei mir schon ganz, ganz tief angelegt. Und als die Nazis dann wirklich mit dieser Morddrohung kamen, dann war auch quasi etwas wieder aufgebrochen. Und auch wie eine Art Traumatisierung. Und wenn du dann irgendwann da durch bist, dann ist es das halt nicht mehr. Und dann bist du trotzdem noch du und fällst nicht gleich um.
[00:25:33] Kristina Appel: Wenn ich mir jetzt vorstelle, in welchem Alltag wir vielleicht leben und wir ein bisschen auf dem Einsteigerlevel anfangen möchten, dann stelle ich mir vor, dass vielleicht im Meeting irgendein Kollege einen sexistischen Spruch raushaut oder die Tante auf der Weihnachtsfeier irgendeinen rassistischen Joke fallen lässt oder so was. Jetzt sind wir noch nicht direkt in körperlicher Gefahr sozusagen, oder in potenzieller körperliche Gefahr. Wie kann ich da jetzt darauf reagieren? Was kann ich fragen?
[00:26:06] Mo Asumang: Bei der Weihnachtsfeier würde ich gar nichts tun. Ja. Genau. Also ich würde keine Weihnachtsfeier schroten, so. Das ist, glaube ich, keine gute Idee. Also wir haben zum Beispiel eine Übung beim mo:lab-Dialogbotschafter:innen-Workshop, wo wir sagen, es ist wichtig, auch mal Stopp zu sagen. Weil, ich bin mittlerweile so jenseits von Gut und Böse, ich sag eigentlich fast nie Stopp. Aber andere Leute brauchen das noch. Oder müssen das sogar auch erst mal lernen, weil sie überhaupt nie gewusst haben, dass sie eigentlich stopp sagen können. Und da haben wir so eine ganz simple Übung, mit der einen Hand sagen wir stopp, so nicht, richtig rigoros, dann machen wir eine kleine Pause und mit der anderen Hand sagen wir: anders gerne. So, und das „anders gerne“ könnte zum Beispiel sein, lass uns doch nach Weihnachten mal in Ruhe darüber sprechen. Oder ich weiß, du bist in diesem Club. Da komme ich mal vorbei und dann lade ich dich auf den Kuchen ein. Und das ist wahnsinnig schwer, diese Übung, weil dieses rigorose Stopp zu sagen, hinterlässt bei dir also erst mal so Zittern und Kurzatmigkeit und all das. Und aus diesen Zitern und Herzklopfen heraus wieder dahin zu kommen, dass du sagst, aber meine Werte sind Offenheit und Freundlichkeit und vielleicht Nächstenliebe. Das will ich doch eigentlich. So, und dann in dieses „anders gerne“. Und das üben wir dann mit den Leuten und die kriegen es nicht hin. Die Kinder in den Schulen, da lacht man sich kaputt, die machen so, stopp, so nicht, anders gerne! So machen die das. Und ich so, nee, das müssen wir noch mal ein bisschen verlangsamen. Und wenn du das dann verlangsamst und dir einfach zwischen dem „stopp so nicht“ einfach mal eine Pause machst, tief durchatmest. So, dann bist du wieder da, da bin ich, hey, lass uns doch mal einen Kaffee trinken.
[00:28:03] Kristina Appel: Was du mir im Vorgespräch auch erzählt hast, manchmal hilft es, Menschen einfach anzugucken. Das Problem angucken, anstarren und Stille walten lassen. In welchen Situationen kann das gut funktionieren?
[00:28:17] Mo Asumang: Also ich habe es natürlich in der krassesten Situation geübt, mal wieder, ja, 3000 Nazis. Was man halt so tut, ja. Aber man kann es auch niedrigschwellig üben. Das Problem ist, man macht es nicht, weil man auch so, wenn man getriggert ist, macht man es halt einfach nicht. Deshalb musst du dir erstmal die Erlaubnis geben. Und als ich zum Beispiel die Nazis gesehen habe und so getriggert war, habe ich erst mal mir die Erlaubnis gegeben. Also das war auch unbewusst. Und dann geht es. Und dann kannst du die Leute anschauen und wenn es dann Leute sind, die dich anfeinden, ist natürlich noch mal ein anderer Blick und du siehst andere Dinge. Aber plötzlich siehst du auf der anderen Seite, du vermutest ja die Angst bei dir selber, aber was ist, wenn du plötzlich die Angst auf der anderen Seite siehst? Einfach sehen lernen. Da wirklich einfach hinzuschauen. Und ey, ich kann gucken, das glaubst du nicht, das konnte ich früher gar nicht, konnte ich einfach nicht, war auch schüchtern und alles. Und mittlerweile habe ich echt diesen Blick. Aber der soll nicht sein wie ein Angriff, sondern ganz tief gucken, irgendwie tief schauen. Und witzigerweise das Interessante ist, wenn du die Leute anschaust… Und sie wollen ja eigentlich gesehen werden. Wenn das der richtige Blick ist, das macht was mit denen. Also eigentlich ist es ja so, dass wir immer sagen, wir wollen die anderen verändern. Und im Prinzip ist es aber andersrum, wir müssen uns verändern, wir sind die Veränderung. Das, was wir jetzt uns in dieser Welt voller Diskriminierung und DEI-Backlash, um mal mit der Fachsprache hier zu sprechen, dass wir da so erleben, das können wir verändern und wir versuchen es aber oft immer auf die andere Seite zu schieben. Ihr habt da böse Sachen gemacht, ihr müsst euch verändern. Wenn wir aber lernen, wie wir mit diesen Dingen umgehen, wie sie mit uns umgehen, wie wir reflektieren, wie die uns beobachten, wenn wir mal Angst haben oder so und wenn wir dahin kommen. Dann wachsen wir und daraus entsteht was wirklich Schönes, was auch für die andere Seite auch ehrlich ist. Und ich habe zum Beispiel mal mit einem gesprochen, der ist auch in dem „Arier“-Film drin, da war der 25 ungefähr. Der ist mit neun Jahren in die Nazis-Szene reingekommen, hat dann in Schulen rekrutiert und und und. Er hatte so ein Erlebnis, dass ein junges Mädchen auf der Straße zu ihm gesagt hat, warum bist du denn ein Nazi? Sie guckte ihn so an. Ich glaube, die hat auch gelächelt und gesagt, was hast du denn eigentlich davon? So, das meinte sie ernst, so. Und ich glaube, das ist halt der große Unterschied. Also man muss es halt auch ernst meinen, weil ansonsten kann es nicht so richtig berühren. Und die meinte das ernst und das war etwas, was er, ja, was ja nicht so wegwischen konnte. Und alles andere: Nazis raus! Ehrlich gesagt lachen die sich da nur ins Fäustchen. Und dieser eine junge Mann, mit dem habe ich dann später noch andere Gespräche geführt, also sehr viele sogar. Wir haben uns gegenseitig von unserem Leben erzählt. Viele Dinge, die ich ihm erzählt habe, die er sich so in seiner Bubble halt nicht vorstellen konnte. Und ich habe auch mal hingeschaut, wie das denn ist, wenn man da so in dieses Nazi-System reingezogen wird. Und das hat sowas, was Echtes, was so nah dran ist. Und das hat uns beide auch echt berührt, also nicht nur ihn, sondern das hat auch mich total berührt. Und mittlerweile ist er eben ausgestiegen, ja, das ist total schön. Und deshalb wollte ich mal hier so eine, die Whatsapp vorlesen, die hatte ich auch hier abfotografiert, ah, da ist sie. Also dann habe ich ihm geschrieben, nachdem er ausgestiegen war schon, das war ungefähr, ja so, ich würde sagen, drei, vier Jahre danach. Er schreibt, also wir waren immer im Gespräch, aber ich schreibe ihm, wie geht es dir, ich denke viel über unser letztes Gespräch. Er schreibt zurück: Zurzeit geht es mir gut, ich betreue acht Kinder, Jugendliche aus Afghanistan, Syrien und Irak in der Nachhilfe. Und das ist halt so, wenn man sich vorstellt, ich will die Welt verändern, ich wil die Welt retten, ist schon ein bisschen schwierig, das alles auf einmal zu schaffen. Aber wenn man sagt, ich bin eine Person, Und dieser Nachbarsjunge oder wer auch immer ist auch eine Person und wir können zusammen – mit Chris habe ich 100 Prozent erreicht und er mit mir. Und das heißt also wir müssen eigentlich erzeugen, dass wir überall in der Gesellschaft, auf der Welt, diese 100 Prozent, dieses one-on-one und 100 Prozent, wenn wir das erreichen, dann wäre das mal eine Maßnahme und ich glaube das wir so, ja auch weiterkommen, weil im Moment ist es so, dass wir eigentlich nur Mauern hochziehen und hinter den Mauern stehen dann irgendwelche Nazis oder Frauenfeinde oder Leute aus der Mitte der Gesellschaft, die ohne nachzudenken in die falsche Richtung laufen. Ja, was haben wir davon? Da kommt da am Ende nichts mehr raus, weil wir haben dann lauter Mauern, weil wir immer aufs Knöpfchen gedrückt haben, aus Facebook raus, aus Insta raus, aus meinem Freundeskreis raus. Im Verein spreche ich nicht mehr mit ihm oder ihr, es gibt Gründe warum man das machen kann, aber de facto stehen Leute hinter einer Mauer, die sie sich selbst auch gebaut haben, aber die wir auch noch zusätzlich bauen. Und jetzt haben wir aber eine Zeit, in der es nicht nur 500 Leute gibt, die hinter dieser Mauer stehen, sondern das sind Millionen von Menschen, die hinter diesen Mauern stehen. Die sie sich selber bauen und die wir zusätzlich auch noch aufbauen. Dann gucken die sich nämlich irgendwann, gucken die sich an und sagen sich so, warum stehst du denn hier? Ja, ich habe das N-Wort gesagt. Ah ja, ich hab auch so was Ähnliches gesagt. Ach, komm doch einfach zu uns in die Community, da kannst du es einfach weiter sagen. Und die Community ist groß genug, die brauchen uns nicht. Und das ist das Gefährliche. Deshalb also eigentlich jede Sekunde nutzen, wo man an so jemanden rankommt, um tatsächlich da auch eine andere Sichtweise tatsächlich auch so ein bisschen reinzubringen. Ich will noch ein Beispiel nennen, wie wichtig das ist, eben ins Gespräch zu kommen. Ich hab mal mit einem Ku-Klkux-Klan-Mann, hab ich mal gesprochen. Du kennst die Szene. Dann hab ich gesagt, sag mal, warum verbrennt ihr denn eigentlich ein Kreuz? Weil, ich hatte nicht gut recherchiert, joa, wusste ich ehrlich gesagt nicht. Und dann sagte er ja, für Jesus Christus. Dann raterte es in meiner Birne, Ku-Klux-Klan, bringt Menschen mit einer dunklen Hautfarbe um, verbrennt ihre Häuser und und und. Aber das Symbol von jemandem, der für Nächstenliebe steht, also habe ich zu ihm gesagt, aber meinst du nicht, Jesus liebt doch auch die Schwarzen, oder? So, da war Stille. Und dann habe ich mich gefragt, also im Schnitt dann auch, ja. Vor Ort, weiß ich nicht, da war ich glaube ich jenseits von, aber im Schnitt dann, warum hat der jetzt so komisch geguckt und dann natürlich die Antwort ist, es hat ihn bisher niemand hinterfragt. Es hat keiner sich mit ihm unterhalten, er kennt nur die Dinge in seiner Community und das bedeutet natürlich, das wird nicht besser. Und wenn man sich vorstellt, wie so jemand lebt, wie wir alle, was machen wir, wenn wir morgens aufstehen? Wir nehmen unser Handy, oder? Kaffee und ein Handy und dann gucken wir drauf und ein Rassist, was sieht der? Wut, Hass. Am zweiten Tag sieht er wieder Hass, Hass, die anderen sind schuld. Wenn das jetzt drei Tage sind, würde ich ja sagen, ist ja okay, aber mach das mal eine Woche, zwei Wochen, einen Monat, ein Jahr, hier oben, das ist total gebrainwashed von all dem, was die da aufgreifen. Das ist einfach sehr, sehr gefährlich. Deshalb habe ich mir irgendwann gesagt, also nur „Nazis raus“ brüllen reicht mir nicht, ich möchte mehr. Aber ich gehe auch „Nazis raus“ brüllen, das mache ich auch. Und das ist auch wichtig. Ich habe da eine Linksradikale interviewt für meine 3sat-Reihe, die ich in 2022 gemacht habe. Da habe ich gewaltbereite Linke interviewt. Und sie sagte was von, ja Ulrike Meinhof ist ja auch ganz klasse, also sie hat Mord legitimiert und sie war also wirklich ganz extrem drauf. Und irgendwann stand sie dann bei mir vor der Tür und wollte den Dialogbotschafter:innen-Workshop machen. Und das fand ich interessant. Und dann war sie dann am Ende des Dialogbotschafter:innen-Workshops stand sie dann da und ich hab sie so angeguckt und dann hab ich gesagt, das ist ja cool, weil du kannst, weiß nicht, „kick butt“, ja, auf die Fresse, so hat sie immer gesagt, Aber wenn du willst, kannst du jetzt aus deiner Tasche auch den Dialog rausholen und das find ich schön. Es gibt nämlich nicht nur die eine Art wirklich in diesem Kampf gegen Diskriminierung, sondern es gibt ganz viele Möglichkeiten. So wie wir halt auch vielfältig sind, so gibt es eben auch ganz, ganz viele unterschiedliche Möglichkeiten, auch in diesem Kampf gegen verschiedene Diskriminierungen oder für die Demokratie auch zu agieren. Und das sich zu erhalten, diese Vielfalt, das finde ich ganz wichtig.
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Über die Person
Mo Asumang widmet sich seit Jahren dem Thema Rassismus. Auslöser dafür war eine Morddrohung einer Neo-Naziband „White Aryan Rebels“ die in einem Lied sangen „Die Kugel ist für Dich, Mo Asumang“. Dieser Schock inspirierte Mo (2006) zu ihrem Regiedebüt „Roots Germania“ (2007) und nach weiterer Recherche zu dem Film „Die Arier“ (2014) über Rassisten weltweit (beide Filme „Grimme Preis“ nominiert). Ihr Buch „Mo und die Arier“ (2016) wurde ein Spiegel Bestseller und ist wie der Film bei der Bundeszentrale für politische Bildung wichtiger Lehrstoff. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit besucht Mo seit 2007, weltweit Schulen und Universitäten, bringt ihre Expertise als Keynote Speakerin ein und moderiert Panels. Mo geht das Thema Rassismus mutig von einer neuen Perspektive anzugehen.
Aktuell hat sie den Verein Mo:Lab e.V. gegründet, mit dem sie Menschen zu „Dialog Botschafter*innen“ in Workshops ausbildet, um Schüler/Student*innen und vielen Demokrat*innen das Handwerkszeug in die Hand zu geben, unsere Demokratie auch an den Rändern aktiv und auf Augenhöhe zu verteidigen und stabilisieren. Seit 2023 hält Mo Asumang als Gastprofessorin eine Spitzenprofessur der Bayrischen Hightech Agenda inne und lehrt an der Filmhochschule München, HFF, fachbereichsübergreifend für das Thema „Hybride Erzählform“. In 2024 war Mo „Harris Distinguished Visiting Professor“ am Dartmouth College in den USA und hielt Lectures am Massachusetts Institute of Technology MIT, Brown University, Williams College etc. Für ihren Mut, ihre Demokratie- und Antirassismusarbeit wurde Mo Asumang 2019 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Quelle der Erstveröffentlichung: www.her-CAREER.com
Bild: Drazen Zigic / istockphoto.com