Nein, könnt ihr nicht. Jedenfalls nicht gut. Jedenfalls nicht, wenn ihr es nicht gelernt habt. In der Schule ging es nur darum langsam, laut und deutlich zu sein. Das kriegen wir (fast) alle hin. Aber darum geht es nicht.
Es geht um Begeisterung, um Spannung, um Humor, um ein schnelles Verständnis dessen, was ihr den Menschen mitteilen wollt. Egal ob vom Blatt oder Tablet, ob Teleprompter oder auswendig gelernt: Wenn ihr einen Text wirklich gut vortragen wollt, wenn es so klingen soll, wie frei gesprochen, dann solltet ihr wissen, wie das geht.
Hier die fünf größten Fehler, die wir im Radio, im Fernsehen und in jeder Menge Filme im Internet fassungslos bestaunen können. Und sie passieren immer dann und nur dann, wenn jemand sich die Sätze vorher zurechtlegt oder aufschreibt - und dann in Sprache verwandelt.
1.) Die Pause im Satz
Wir haben gestern – spät gefrühstückt.
Bundeskanzler Merz – war heute in Italien.
Diese Pausen mitten im Gedanken würden wir im privaten Sprechen nie machen. Wir haben eine Idee, sprechen die Idee aus, und dann kommt die nächste Idee. Auf den Gedanken, aus dem Satz zwei Häppchen zu machen und mittendrin zu atmen, kommt nur Menschen, die den Satz geschrieben vor sich haben.
2.) Die Betonung der Präposition
Nun zum Wetter IN München.
Wir sprachen mit ihr AUF der Straße.
Völlig sinnlos, wenn man genau zuhört, oder? Aber diese Betonung von Präpositionen ist erstaunlich weit verbreitet. Es geht ja nicht um das Wetter ÜBER oder UNTER München. Nein – um das Wetter IN München. Aber VON euch macht das ja auch niemand.
3.) Die Pause vor dem letzten Wort
Meine Kollegin Dagmar war – vor Ort.
Wir haben uns dort mal – umgesehen.
Immer bevor umgeschaltet wird, immer wenn es zurück ins Studio geht, immer vor dem nächsten Musiktitel, taucht diese Pause vor dem letzten Wort – auf! Da wird der Knopf gedrückt, der Regler bedient oder der Oberkörper in die Kamera gedreht. Sinnlos, aber sehr gern gemacht.
4.) Zahlen betonen
ZWEIundzwanzig, DREIundvierzig, SECHSundfünfzig
Die richtige Betonung von Zahlen ist geradezu zwingend. Sonst bekommen Zuhörende ein Gewitter im Kopf. Es wird betont, was sich ändert. Nach der EINunddreissig kommt die ZWEIunddreißig. Aber wenn sich die Zehnerstelle ändert, ist die wichtiger. Nach der ZWEIunddreißig, kommt die dreiund VIERZIG und nicht die DREIundvierzig. Zehner- vor Einerstelle, Hunderter- vor Zehnerstelle. Das würden wir im Alltag nie falsch machen, weil wir die beiden Zahlen, die hintereinander stehen, genau kennen.
5.) Pfeift auf die Satzzeichen!
Willst du also nach Hause!
Das ist dein Ernst?
In diesen beiden Sätzen könnte man die Satzzeichen am Ende auch tauschen. Und tatsächlich erlaubt das sogar der Duden. Fragesätze mit einem Punkt zu beenden und Aussagesätze mit einem Fragezeichen. Es kommt eben drauf an. Was wollt ihr sagen? Lest beide Sätze mal mit verschiedenen Satzzeichen und ihr werdet sehen, dass sich die Bedeutung etwas verschiebt. Setzt die Satzeichen so, wie ihr später lesen wollt. Das erspart euch später viel Arbeit.
Über den Autor
Michael Rossié arbeitet seit 30 Jahren mit Menschen, die auf Bühnen oder vor der Kamera stehen. Außerdem hat er sich viele Jahre mit dem Rezitieren von Texten und der Arbeit mit dem Teleprompter beschäftigt. Denn eine gute gelesene Geschichte, ein guter Beitrag oder ein guter Livebericht können sehr begeisternd sein.
