Persönliche Entwicklung, Karriere, Finanzen

Ich möchte mich beruflich neu orien­tieren, aber…

Anre­gungen für den Umgang mit ersten Blockaden und falschen Annahmen

Von Brigitte Scheidt

Viele Menschen spielen mit dem Gedanken, sich beruflich neu zu orientieren. Doch irgendwie kommen viele über „viele" Gedanken, was denn anders sein könnte, nicht hinaus. 

Dabei wirkt die „Coronazeit“ geradezu wie ein Brennglas: Unstimmigkeiten und Unzufriedenheit im Beruf werden bewusster. Immer mehr Menschen stellen sich die Frage nach dem Sinn ihrer Tätigkeit. Aber auch nicht arbeiten zu dürfen, führt zu der Überlegung: „Will ich, kann ich das noch die nächsten 10, 20, 30 Jahre machen? Welche berufliche Alternative gibt es denn für mich?“

Wieso tun wir uns dennoch so schwer, selbst wenn wir entschieden sind, uns von der alten Tätigkeit zu verabschieden?

Das führt zu der Frage: Was passiert bei einer wirklichen Neuorientierung?

Den Beruf empfinden viele Menschen als Teil ihrer Persönlichkeit. Eine zentrale berufliche Veränderung, eine zweite Karriere anzustreben, bedeutet daher auch, dass die Person selbst sich verändern muss.

Meine Grundhypothese dazu lautet: Ein beruflicher Neuanfang erfordert - neben dem Erlernen von spezifischem fachlichen Know-how - einen persönlichen Entwicklungsprozess an dessen Ende eine neue berufliche Identität steht. Eine, die zu mir passt.

Auf dem Weg zum Job, der zu Ihnen passt, Ihnen entspricht, gibt es viele Annahmen die direkt zu Blockaden führen. So wird eine berufliche Neuorientierung bereits zu Beginn verhindert, entsprechend tritt man der Stelle.

Berufliche Neuorientierung

Im Folgenden möchte ich kurz drei solcher Annahmen, die kontraproduktiv für das Vorhaben „berufliche Neuorientierung“ sind, vorstellen.

Weit verbreitete Annahmen sind:

1. Ich kann mich nur beruflich verändern, wenn ich weiß, was ich will.

Wenn Sie bereits eine konkrete neue Anstellung im Visier haben, auf die Sie sich bewerben, dann sollten Sie wissen, warum genau diese Stelle für Sie interessant ist.

Wenn Sie sich jedoch wirklich beruflich neu orientieren wollen, dann können Sie es nicht wissen, denn es geht um eine andere, eine neue Tätigkeit, von der Sie am Anfang meist noch keine Klarheit haben, wie sie aussehen wird. Zu Beginn nicht zu wissen, wohin die Reise gehen soll, ist ganz normal. Lassen Sie sich also dadurch nicht entmutigen.

Denn ansonsten würde gelten: Da Sie nicht wissen, was Sie wollen, können Sie nichts verändern. Der Frust allerdings bliebe.

2. Ich schau mal, was möglich ist, was der Markt anbietet.

Viele Menschen möchten sich beruflich verändern und haben auch viele Ideen. Das Ergebnis sieht häufig so aus: „Ja, ich könnte ja mal X probieren – aber…“ und es fallen einem, vielleicht auch Ihnen zig Gründe ein, warum genau diese Tätigkeit, Studium, Aufgabe nicht geht: Etwa weil Sie zu alt sein könnten, Ihnen die Voraussetzungen fehlen, die Aufgabe doch zu anstrengend für Sie sein wird und, und und. Das Ergebnis dieses Vorgehens, Sie bleiben so in einem Kreislauf der Unzufriedenheit und mangelnder Alternativen stecken. Warum ist das so? Die beruflichen Ideen sind vielleicht interessant aber beliebig. Sie sind nicht an die Person, an Ihre Person und damit an Ihre Wünsche und Bedürfnisse angebunden. Entsprechend gibt es auch kein inneres Commitment.

Zu Beginn ist es meist hilfreicher, sich Zeit zu nehmen, Rückschau zu halten und sich z.B. bewusst zu machen, was hat Ihnen früher Spaß gemacht, wann hat Ihnen die Arbeit zuletzt Freude gemacht? Was können Sie gut? Bevor Sie ins Außen gehen, sollten Sie wissen, was Ihnen beruflich und im Leben wichtig ist, was erhoffen Sie sich von einer zukünftigen Tätigkeit? Mit solchen und ähnlichen Fragen kommen Sie sich dann nach und nach selbst auf die Spur und entwickeln eine Antwort auf die Frage: „Was will ich beruflich, wohin will ich mich neu orientieren?“ Und Sie können dann den Markt nach diesem Ihrem Angebot durchsuchen.

3. Ich darf doch nicht beruflich unzufrieden sein, insbesondere wenn ich eigentlich einen guten Job habe und erfolgreich bin.

Das klingt scheinbar merkwürdig, solche Überlegungen sind nicht selten, gerade auch bei erfolgreichen Menschen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Die innere Stimme sagt: „Der Job tut Dir so nicht gut“. Die scheinbare Vernunft sagt:“ Stell Dich nicht so an, andere wären glücklich, wenn sie so eine Stelle hätten“ und eine innere Spannung entsteht, nimmt Platz und wächst.

Und um in dieser Stelle bleiben zu können, stellen Sie vermutlich ihre eigenen Wahrnehmungen infrage und finden viele Argumente, um die Situation aushalten zu können. Sie überlegen, dass Sie sich einfach anpassen, Ihre Erwartungen runterschrauben sollten, die Arbeit sei schließlich kein Ponyhof. Weiter: „Es gibt doch keine Arbeit, die glücklich macht! Zusammennehmen ist angesagt, machen alle andere auch!“  So oder ähnlich marschieren die Gedanken.

Meine Antwort:

Trauen Sie Ihrer Wahrnehmung, trauen Sie sich. Untersuchen Sie, was macht Sie unzufrieden? Was können, was wollen Sie ändern? Bedenken Sie auch, Geld, Status, Macht machen nicht automatisch zufrieden. Es kommt immer auf den Preis an, den Sie zahlen. Daher stellen Sie sich selbst immer wieder die Frage: „Bin ich bereit diesen Preis zu zahlen?“

 

Bildnachweis: fcscafeine / istockphoto

Über die Autorin

Brigitte Scheidt (Berlin) ist Diplompsychologin und psychologische Psychotherapeutin, Karriereberaterin, Coach, Supervisorin und Lehrbeauftragte. Seit vielen Jahren begleitet sie Menschen während persönlicher und beruflicher Veränderungen und berät Firmen und Institutionen bei beruflichen Neu- und Umorientierungsprozessen.